Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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eine mündliche Erörterung derselben mit mir zu einem praktischen Resultat nicht 
führen kann. Auf einzelne Ihrem Standpunkte entsprechende Modalitäten des 
Gesetzes einzugehen, wäre seinerzeit gewiß thunlich, aber mit Erfolg doch nur 
für einen Minister möglich gewesen, der sich auf die Unterstützung einer starken, 
konservativen Partei hätte berufen können. Ich glaubte bis zur Beratung des 
Schulaufsichtsgesetzes in diesem Falle zu sein, habe mich aber von meinem Irr- 
tum überzeugt und meinen praktischen Wirkungskreis dieser Erfahrung entsprechend 
eingeschränkt."“ 
Das eine steht fest, wo immer es nötig war, trat Bismarck mit dem vollen 
Gewicht seiner Person für Falks Politik ein, insbesondere auch für dessen 
Spezialgesetze im Herrenhause. 1) Im Streit mit dem Bischof von Ermeland 
führte Bismarck eine Zeit lang selbst die Feder.:) Natürlich ging es nicht immer 
ohne lebhafte Auseinandersetzungen der beiden Staatsmänner ab. Einmal er- 
klärte Dr. Falk rundweg: „Nun, dann bitte ich um meine Entlassung.“ Bis- 
marck goß Oel ins Wasser: „Wir werden doch noch unsern Meinungsverschieden- 
heiten Ausdruck geben dürfen!" 
Der Konflikt mit der katholischen Kirche ist allerdings nicht zu Gunsten 
des großen Staatsmannes ausgeschlagen, aber das Experiment war von vorn- 
herein verfehlt. Die Gehilfen des Kanzlers, Falk, Dove, Friedberg, Hinschius, 
Gneist und so weiter, hatten ihm ein sehr komplizirtes System von Zwangs- 
maßregeln gegen die katholische Kirche aufgebaut, das thatsächlich nicht durch- 
zuführen war. Die Opposition dagegen wurde immer größer und die Zahl 
der Zentrumsmandate nahm bei jeder Neuwahl zu. Der Kanzler selbst hatte 
beim Beginne des Streites nur nationale und politische, nicht aber kirchliche 
Ziele; er hätte den Sieg über die Ultramontanen ebenso davongetragen wie 
über die Liberalen, wenn dieser Gesichtspunkt konsequent im Auge behalten und 
nicht im weitern Verlauf des Kampfes vom Liberalismus gefälscht worden wäre. 
Die Ultramontanen würden heute mindestens ebenso schwach sein wie die Deutsch- 
freisinnigen, wenn man sie nur vom politisch-nationalen Standpunkte aus be- 
kämpft, die katholische Kirche aber in Ruhe gelassen hätte. Sobald die Religion 
mit in Frage kam, ließ sich die Ergebnislosigkeit des Unternehmens voraussehen, 
denn die siebenzehn Millionen Katholiken Deutschlands bilden eine große politische, 
materielle und soziale Macht, die, wenn sie einig und geschlossen auftritt, nicht 
überwunden werden kann.) 
Je mehr die Kulturfriedensstimmung überhand nahm, um so schwieriger 
1) Majunke a. a. O., S. 310. Im November 1875 besuchte Falk Bismarck in Varzin. 
In einem Briefe Bismarcks an v. Bülow, 4. d. 21. Dezember 1877, kommt folgende Stelle 
vor: „In Bezug auf Falk bin ich ganz derselben Ansicht wie Camphausen (welche nicht 
bekannt), aber es bleibt immer eine Kalamität, wenn er nervös gemacht wird.“ 
2) Majunke a. a. O., S. 382. 
3) Unsere Minister seit 1862 S. 100.
	        
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