Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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wurde natürlich die Stellung Falks. Seit 1878 war sein Rücktritt nur eine 
Frage der Zeit. Unter den veränderten Verhältnissen ragte seine Erscheinung 
wie eine vergessene Standarte auf einem vom Feinde geräumten Schlachtfelde 
hervor. 1) 
Nach dem Hödelschen Attentate (11. Mai 1878) bemerkte der Kaiser beim 
Empfange des Staatsministeriums, es komme jetzt besonders darauf an, „daß 
die Religion dem Volke nicht verloren gehe“. Diese Worte hatte Falk als ein 
Mißtrauensvotum gegen sich aufgefaßt und schon damals den Entschluß kund- 
gegeben, seine Entlassung als Minister zu nehmen. ) Da Bismarck vorläufig 
an einem Wechsel im Kultusministerium nichts gelegen war, 3) so wurde das 
Demissionsgesuch Falks abgelehnt. Daß die Kissinger Verhandlungen von Bis- 
marck mit Monsignore Masella ohne Hinzuziehung seiner Person geführt worden 
waren, mußte ihn in seinen früheren Entschließungen bestärken. 4) Vollends sah 
er den Boden unter sich wanken, als der Kaiser die Berufung von zwei be- 
stimmten Geistlichen, in denen Falk ausgesprochene Gegner der von ihm 
erstrebten Richtung sah, in den Evangelischen Oberkirchenrat verlangte. Der 
Vizepräsident des Staatsministerums Graf Stolberg suchte eine Lösung im 
Sinne Falks herbeizuführen, war aber nicht zum Ziele gelangt und bat den 
Finanzminister Hobrecht, der am 17. Dezember 1878 noch zum Besuche Bis- 
marcks nach Friedrichsruh fuhr, diese Angelegenheit bei dem Fürsten zur Sprache 
zu bringen. Der in später Nachtstunde erstattete Vortrag der Falkschen Streit- 
frage erweckte Bismarcks stärksten Unwillen. Er schalt heftig über den Eigensinn 
der einen, die Ungeschicklichkeit der anderen hierbei beteiligten Personen; Hobrecht 
war über die ihm fremde Angelegenheit zu wenig informirt, um befriedigende 
Aufklärungen geben zu können, und beschränkte sich darauf, hervorzuheben, wie 
sehr alle Minister die Beilegung des drohenden Konflikts wünschen müßten und 
nur von seiner (des Fürsten) Vermittelung hoffen könnten. Der Fürst öffnete 
die Thür eines angrenzenden Zimmers, in dem Graf Herbert wohnte, rief seinen 
Sohn und bat ihn, ihm als Schreiber zu dienen. Auf und ab schreitend diktirte 
er seinem Sohne, während Hobrecht, eine Cigarre nach der andern rauchend, 
zuhörte, erfüllt mit staunender Bewunderung der schöpferischen Kraft und 
Leistungsfähigkeit Bismarcks. 
Falks Rücktritt erfolgte am 13. Juli 1879 (am 30. Juni Besuch Falks 
  
1) Majunke a. a. O., S. 482. 
2) Majunke a. a. O., S. 417. 
3) „Falk hatte an mir seine Stütze“, diese Worte, die Bismarck einmal dem Grafen 
Fred Frankenberg gegenüber äußerte, gelten für die ganze Amtszeit des-Kultusministers. 
Angeblich zog Falk auf die Bitten Bismarcks sein Entlassungsgesuch zurück. „Neue Preußische 
Zeitung“ Nr. 131 vom 7. Juni 1878. 
4) Besprechung Bismarcks mit Falk im August 1878 in Gastein nach den Verhand- 
lungen mit Masella.
	        
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