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Der Kaiser hatte aber diesesmal seinen eigenen Willen. Am 25. März lehnte
der Kaiser das Entlassungsgesuch des Chefs der Admiralität ab, wie behauptet
war, gegen den entschiedenen Wunsch des Reichskanzlers, der nunmehr — hier—
über und durch andere Vorkommnisse verstimmt — seinerseits um den Ab—
schied bat. Nach der „Kölnischen Zeitung“ nahm die Krisis folgenden Verlauf:
Am 28. März hatte Fürst Bismarck die Minister mit Ausnahme v. Stoschs
zu einer vertraulichen Beratung bei sich versammelt. Er gab den Entschluß
seines Rücktritts kund, doch erwog er für den Fall, daß der Kaiser auf eine
dauernde Entlassung nicht eingehen wolle, mit den Ministern, auf welche Weise
die Stellvertretung am besten sich regeln lasse. Am 29. März teilte der Reichs-
kanzler bei Tafel seinen Gästen die Nachricht mit, daß er bei dem Kaiser seine
Entlassung eingereicht habe und dabei beharren werde. Wenige Tage darauf, am
1. April, wo der Kaiser ihm in Person zum Geburtstag Glück wünschte, kam
es zu einer längeren Verhandlung. Der Kaiser wiederholte, daß er vom Kanzler
sich nicht trennen könne. Er sei achtzig Jahre, Fürst Bismarck erst zweiund-
sechzig und müsse noch ferner aushalten. Anfangs glaubte man in hohen Kreisen
die Sache nicht ernster nehmen zu müssen als in früheren Jahren. Indes ging
tags darauf vom Fürsten eine schriftliche Wiederholung seines Entlassungs-
gesuches bei Seiner Majestät ein.
Am 7. April brachte die „Post“ einen Artikel, worin gesagt war, daß Fürst
Bismarck sich unter Umständen entschließen könne, zu bleiben, wenn er Freiheit
zu einer großen Aktion auf dem sozial-politischen Gebiete und anderen erhielte,
und am 10. April 1877 erfolgte der Abschluß der Kanzlerkrisis durch die Be-
urlaubung Bismarcks an Stelle des erbetenen Abschieds.
Nach Beendigung dieser Krisis blieben die beiden Staatsmänner in einem
kühlen Nebeneinander, !) das indessen Höflichkeitsbesuche Stoschs bei Bismarck
nicht ausschloß.
Ungemein scharf wird das beiderseitige dienstliche Verhältnis durch folgenden
Vorgang illustrirt:
Ende Februar 1880 erließ Fürst Bismarck an sämtliche Reichsbehörden
eine Verfügung, welche besagte, daß in seiner Vertretung in erster Reihe Graf
Otto zu Stolberg-Wernigerode, in zweiter Reihe Staatssekretär Hofmann, und
in Abwesenheit dieser beiden der jeweilige Vorsitzende des Bundesrats zeichnen
solle. Als Form der Zeichnung wurde vorgeschrieben: „Der Reichskanzler.
In Vertretung: N. N."“
1) Vgl. Notiz in der „Post“ Nr. 63 vom 15. März 1877 und Nr. 66 vom 18. März
1877, Nr. 79 und 80 vom 21. und 22. März 1883 und die Nr. 183 und 192 vom
7. und 16. Juli 1884. Als Bismarck am 17. August 1881 auf der Lehrter Bahn nach
Schönhausen fuhr, benützte zufällig denselben Zug der General v. Stosch. Keiner von
beiden fand aber Anlaß, vom andern Notiz zu nehmen. („Vossische Zeitung“ Nr. 382 vom
18. August 1881.)