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Zum Vortrage bei dem Fürsten Bismarck war Friedberg als Staats-
sekretär des Reichs-Justizamts in Varzin am 9. und 10. Dezember 1877 und
als Justizminister am 20. und 21. September 1882 in Varzin und 14. und
15. Oktober 1883 in Friedrichsruh.#)
Das Verhältnis zwischen Bismarck und Friedberg war vom Anfang bis
zu Ende ein gutes. Friedberg hegte für den Kanzler die größte Verehrung
und umgekehrt schätzte dieser die reichen Kenntnisse und die ungeheure Arbeits-
kraft seines langjährigen Beraters in Justizfragen. Die guten Beziehungen, die
zwischen Friedberg und dem Kronprinzen bestanden,:) konnten Bismarck nur
erwünscht sein. Auch während der Regierungszeit des Kaisers Friedrich hat
Friedberg dem Kanzler keine Schwierigkeiten bereitet; er hat sich während der
99 Tage ebenso loyal wie gewandt bewiesen und sehr viel zur Begleichung der
entstandenen Meinungsverschiedenheiten beigetragen.
Bei seinem Abgange entstand ein ganzes Heer von Gerüchten über die
Gründe des Rücktrittes, von dem es sogar hieß, daß er ein unfreiwilliger ge-
wesen sei.3) Demgegenüber kann ich versichern, daß der Rücktritt Friedbergs
1) Die drei obigen Daten sind in Kohls Bismarck-Regesten nachzutragen.
2) Friedberg, der den Kronprinzen Friedrich Wilhelm in das praktische Staatsrecht
eingeführt hatte, gehörte später zu den vertrautesten Genossen des kronprinzlichen Hauses.
Mit dem zunehmenden Alter des Kaisers Wilhelm verlangte es den Kronprinzen nach
einem Freunde und Berater in mancher schwierigen Lage, und da war es der kluge und
verschwiegene hohe Staatsbeamte, dem er sich unbedingt anvertrauen durste.
3) In Nr. 256 vom 4. Juni 1895 hatte die „Volks-Zeitung“ geschrieben: „In den
kritischen Zeiten, in welchen an ihn das Ansinnen gestellt war, ein Gutachten über die
Krankheit des Kaisers Friedrich und die staatsrechtliche Seite der Einwirkung
dieser Krankheit auf die Regierungsfähigkeit des kranken Herrschers abzugeben, soll Fried-
berg die Sache des kranken Kaisers mit Energie vertreten haben. Näheres darüber
wissen vielleicht die „Hamburger Nachrichten“ zu erzählen.“ Die „Ham-
burger Nachrichten“ erwiderten darauf: „Dazu sind wir allerdings in der Lage, und zwar
haben wir zu erklären, daß die Behauptung der „Volks-Zeitung“ durchaus wahrheits-
widrig ist, wenn damit etwa, wie es nach dem Wortlaute den Anschein hat, gesagt
werden soll, daß ein solches Ansinnen von seite der Regierung an den Justizminister
gestellt worden sei. Von seiten der Vertreter der Regierung, insonderheit vom damaligen
Ministerpräsidenten, ist jederzeit „mit Energie“ der einzig berechtigte Standpunkt vertreten
worden, daß die Krankheit des Kronprinzen auf seine Regierungsfähigkeit ganz ohne Ein-
fluß sei.“ Nach dem klerikalen „Westfälischen Merkur“ soll der Rücktritt des Ministers
Friedberg ein unfreiwilliger im vollsten Sinne des Wortes gewesen sein. Der Anlaß soll
in einem Schreiben des Fürsten Bismarck bestanden haben, das um Einreichung
des Entlassungsgesuches kurzer Hand ersuchte. Das genannte Blatt bemerkte
dazu: „Es ist uns nur ein Fall bekannt, daß ein Minister auf eine solche Aufforderung
nicht reagirte. Der Betreffende replizirte kurz, daß er so lange auf seinem Posten auszu-
harren gedenke, als er sich durch das Vertrauen seines Souveräns geschützt wisse. Sollte
ihm einstmals dieses Vertrauen nicht mehr zur Seite stehen, so werde er ohne Verzug um
seine Entlassung bitten; vorher nicht. (Graf Eulenburg?) Das war aber, wie bemerkt,