Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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sich unter seiner ministeriellen Wirksamkeit zwei für das deutsche Heerwesen 
bedeutungsvolle Entscheidungen vollzogen: die Vereinbarung des militärischen 
Septennats von 1874 und desjenigen von 1880. In beiden Fällen hat 
die kühl sachliche und von jeder Provokation freie Art, wie die Militär— 
verwaltung und ihr Chef der Opposition entgegentrat, den Abschluß befördert.!) 
Kameke lebte mit Bismarck in gutem Einvernehmen; sein konziliantes Wesen 
war Konflikten fremd. Als der Abgeordnete Richter in der Sitzung des Reichs- 
tags vom 9. Mai 1884 eine Bemerkung Bismarcks so deuten wollte, als 
enthielte sie eine schlechte Beurteilung von Kamekes ministerieller Wirksamkeit, wies 
Bismarck den Vorwurf der Impietät gegen seinen Freund und Kollegen zurück.2) 
Durch die Milde und Freundlichkeit seines parlamentarischen Auftretens 3) 
und durch mancherlei dem Parlament gemachte Konzessionen verlor übrigens 
Kameke in seinen eigenen Kreisen allen Rückhalt. 
Die „Elberfelder Zeitung“ machte die Bemerkung, Herr von Kameke sei 
seit vielen Jahren der erste Minister, der ohne den Verdacht abgehe, von dem 
Fürsten Bismarck gestürzt zu sein. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" 
erwiderte gereizt: „Ob in der That bei früheren Ministerwechseln ein solcher 
Verdacht existirt hat, wissen wir nicht; jedenfalls aber ist derselbe stets aus dem 
Bestreben einer tendenziösen Geschichtsfälschung entsprungen. Zunächst bemerken 
wir, daß, wenn ein Ministerpräsident, nachdem er zu der Ueberzeugung gelangt 
ist, er könne mit einem seiner Kollegen nicht weiter ersprießlich fortarbeiten, 
dessen Ausscheiden von ihm selbst oder von Seiner Majestät dem Könige erbittet, 
der Ausdruck stürzen“ kein richtig gewählter ist. Sodann aber möchten wir 
fragen, wie ist es möglich, daß jener Verdacht, von dem die „Elberfelder Zeitung“ 
spricht, irgendwo Glauben gefunden hat? Schließlich möchten wir darauf hin- 
weisen, daß sich nicht durch Examina eruiren läßt, ob jemand den Anforderungen 
einer ministeriellen Stellung zu genügen vermag. Der Ministerkandidat selbst 
kann sich sehr gründlich bei Uebernahme seines Amtes über seine Oualifikation 
täuschen, und so kommt es, daß er oft erst auf dem Felde der Erfahrung zu 
einem klaren Urteil darüber gelangt."“ 
1) „National-Zeitung“ Nr. 115 vom 8. März 1883. Ein Schreiben Bismarcks an 
Kameke, betreffend die Verwendung amerikanischen Holzes im Ressort der Heeresverwaltung, 
findet sich abgedruckt in meinem Werke „Aktenstücke zur Wirtschaftspolitik des Fürsten 
Bismarck“ Bd. I. S. 307. 23. Januar 1871, 8. Januar 1873, 18. März 1876, 
24. November 1881 Kameke bei Bismarck zu Tisch. 
2) Kohl, Bismarck-Reden Bd. X. S. 128. 
3) Die „National-Zeitung“ Nr. 111 vom 6. März 1883 bemerkte in einem „Der 
Rücktritt des Kriegsministers“ überschriebenen Artikel: „Politisch ein Konservativer, erwies 
sich Kameke durchaus als ein konstitutioneller Minister, und er hat dadurch auch den 
speziellen Interessen der Armee, welche er zu vertreten hat, am besten gedient; er hat durch 
sein achtungsvolles Verhalten gegenüber der Volksvertretung manches erreicht, was einem 
barsch auftretenden Minister vielleicht verweigert worden wäre.“
	        
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