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Bundesrat und zwar zunächst in den Ausschuß für Elsaß-Lothringen. Be—
zeichnend für den politischen Scharfblick Bismarcks ist folgender Vorgang. Be-
kanntlich strebte Bismarck schon 1866 sofort nach der Besiegung Oesterreichs
ein engeres Bündnis Deutschlands und Oesterreichs an, wie dasselbe erst 1879
zu stande gekommen ist. Derselbe Gedanke eines Bündnisses mit Oesterreich
erfüllte Bismarck auch im Jahre 1871 nach dem Ende des Krieges mit Frank-
reich. Als sich Herr v. Nostitz damals in Berlin bei Bismarck abmeldete,
richtete er die Frage an ihn, ob die Franzosen, um die Kriegskostenentschädigung
zu ersparen, den Krieg wieder aufnehmen würden. Nostitz verneinte diese Frage.
Darauf ging Bismarck zu einer Erörterung der politischen Lage über und äußerte,
daß Frankreich sich mit Rußland gegen Deutschland zu verbinden trachten werde.
Wie aber im Jahre 1870 Rußland das Schwert Oesterreichs in der Scheide
zurückgehalten habe, so werde in einem zweiten Kriege mit Frankreich Oester-
reich dieselbe Rolle Rußland gegenüber zufallen.
Am 1. Oktober 1871 traf Herr v. Nostitz in Berlin ein, um das König-
reich Sachsen beim Bundesrat des Deutschen Reichs in Gemeinschaft mit dem
Geheimen Regierungsrat Schmalz, und zwar speziell in den Ausschüssen für
Rechnungswesen, Zoll und Steuerwesen und für Elsaß-Lothringen, zu vertreten.
So ungern sich derselbe auf längere Zeit von den Seinigen trennte und so
wenig die Existenz im Gasthof und in der Kneipe seinen Neigungen entsprach,
so gewährten ihm doch die Geschäfte, und namentlich der Einblick in das Partei-
treiben beim Reichstag und die mehrfach verschlungenen Fäden, welche im
Bundesrat wie im Reichstag ihren Einfluß auf die Entschließungen der Mehr-
heit wie der einzelnen äußerten, großes Interesse. v. Nostitz überzeugte sich
bald, daß die Stellung der Vertreter der Mittelstaaten den offenen und ver-
deckten Einheitsbestrebungen der Mehrheit des Reichstags gegenüber um so miß-
licher erschien, als man häufig darüber im unklaren war, inwieweit dieselben
insgeheim von der preußischen Regierung begünstigt und gefördert wurden.
Gegen früher war diesen Bestrebungen gegenüber allerdings infolge des Ein-
tritts von Bayern, Württemberg und Hessen in den Reichsverband ein stärkerer
Damm gezogen. Mindestens waren, wenn die drei Königreiche Bayern, Würt-
temberg und Sachsen, sowie Hessen und Mecklenburg zusammenhielten, Ab-
änderungen der Verfassung im unitarischen Sinne länger aufzuhalten, als dies
im Norddeutschen Bunde möglich war, sobald nicht Preußen den guten Willen
dazu hatte. Nostitz stellte es sich deshalb zur besonderen Aufgabe, nicht bloß
sächsischerseits ein gutes Verhältnis mit den Bevollmächtigten von Bayern (Minister
v. Pfretzschner, v. Lutz, Ober-Appellationsgerichtspräsident v. Neumayr, Mini-
sterialrat Berr) und von Württemberg (Minister v. Mittnacht, v. Scheurlen,
Gesandter v. Spitzemberg) aufrecht zu erhalten, sondern auch die beiden süd-
deutschen Nachbarstaaten zusammenzuführen. Dank diesem Zusammenhalten ge-
lang es ihm, den Einzelstaaten die Ausübung des Münzrechts und das Symbol