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sollten? Im Bundesrat können sie es nicht gut, dort gebricht es an
Zeit und noch an einigem anderen. (Große Heiterkeit; Sehr gut! links.)
Nun, meine Herren, so kann es denn doch vorkommen, daß ein solcher Gesetz-
entwurf ein gewisses Gepräge, einen gewissen Stempel erhält, vor dem man
wenigstens nicht unbedingt sicher ist, daß er den Stempel der allumfassenden
Gemeinschaft darstellt. Hierin, meine Herren, liegt eine Gefahr, daß die Rechts-
anschauungen und die Rechtsbildung eines Staates, und wenn er auch der
größte und bedeutendste aller derjenigen ist, die allen Anspruch auf größte Be-
achtung haben, doch vorzugsweise bestimmt sind, nationales Recht zu werden
(hört, hört !), und hierin liegt die Gefahr, daß die einzelnen Bundesregierungen
aber schließlich doch auf den Standpunkt kommen können, die rechte Liebe zur
Mitwirkung zu verlieren, schließlich aus Bequemlichkeit zuzustimmen oder
weil ihnen klar ist, daß sie doch nichts mehr erreichen könnten, sich auf Kompetenz-
studien zurückzuziehen. In Wirklichkeit, glaube ich, sollte jeder, der Befähigung
und Interesse hat, an dieser nationalen Rechtsgesetzgebung mitwirken, und zwar
rechtzeitig von Anfang an in dem Stadium mitwirken, wo der Stoff geformt
wird, und nicht erst dann, wenn er schon geformt ist und wenn eventuell
Meinungsverschiedenheiten wesentlich zu unliebsamen Weiterungen und Schwierig-
keiten führen. Was ich, meine Herren, hier in aufrichtig reichsfreundlichem
Sinne angedeutet oder vielleicht mehr als angedeutet habe (große Heiterkeit),
das soll gewiß gar keinen Vorwurf enthalten, denn bisher war man in den
gesetzgeberischen Arbeiten in ganz außerordentlicher Weise gedrängt, die Verhält-
nisse waren noch nicht geordnete geworden, manches befand sich, wie der Herr
Abgeordnete Miquel sagt, in einem Uebergangszustande. Endlich haben wir
ja auch gar kein formelles Recht des einzelnen Staatsministeriums, formell
hat ja jeder Staat, jede Regierung das Recht, Gesetzentwürfe für sich zu machen;
aber Sie werden es doch vielleicht erklärlich finden und entschuldigen, wenn die
Regierungen der mittleren Staaten, bevor sie zu einer so wichtigen und aus-
gedehnten Kompetenzerweiterung aus vollem Herzen Ja sagen, doch noch etwas
Näheres zu erfahren gewünscht haben darüber, wie man sich den Gang der
nationalen Privatrechtsgesetzgebung und die Beteiligung der einzelnen Staaten
an dieser nationalen Privatrechtsgesetzgebung hier und im Bundesrate denkt.
Im Bundesrate werden wir aus Gründen, die uns nicht zur Last fallen, erst
in späterer Zeit, in einigen Monaten, zu der erwünschten Klarheit in dieser
Beziehung gelangen.“
v. Mittnachts Klagen über die Zurücksetzung der micht preußischen Regie-
rungen bei der Vorbereitung der Reichsgesetze riefen eine gewaltige Sensation
hervor!) und zogen ihm lebhafte Angriffe zu.
1) Die „National-Zeitung“ bemerkte in einem Artikel vom 1. Juni 1872: „Ohne
Grund sind ja die Beschwerden des Herrn Mittnacht nicht, nur kehren sie sich gegen den