Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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So schlossen die „Hamburger Nachrichten“ einen seine Aeußerungen über 
die Vorgänge im Bundesrat scharf verurteilenden Artikel: „Herr Mittnacht 
rügt es an Preußen, daß es von seinen Rechten als Reichsglied Gebrauch macht, 
während es doch nur die Trägheit und Saumseligkeit der anderen, von ihren 
gleichen Rechten den gleichen Gebrauch zu machen, ist, welche die Schuld trägt, 
wenn sie etwa wirklich das Maß der ihnen gebührenden Mitwirkung sich ver- 
kürzt sehen. „Nur immer langsam voran, nur immer langsam voran, damit 
Herr Mittnacht hübsch behaglich nachfolgen kann!“ Wir begreifen sehr wohl, 
um wie vieles gemütlicher sich der schwäbische Staatsmann in einem Bundes- 
rate fühlen würde, welcher diese Forderung zur Maxime seiner Gesetzgebung 
erhöbe. Nichtsdestoweniger können wir dem deutschen Volke nur Glück dazu 
wünschen, daß Preußen sich weniger um die Gemütlichkeit des Herrn Mittnacht, 
als um das Wohl des Reichs besorgt zeigt und die ganze Kraft seiner Initiative 
aufbietet, die gegenwärtige Gunst der Umstände auf das rascheste und ent- 
schlossenste für Befestigung der großen Errungenschaften unseres nationalen 
Lebens zu verwerten. Herr v. Mittnacht bewahre den gleichen patriotischen 
Eifer, und die Nation wird es ihm danken. Fühlt er sich dazu aber unver- 
mögend, so thut er sicherlich klüger daran, zu schweigen, als Anklagen zu erheben, 
die nur sein eigenes Unvermögen bloßstellen." 
Die Nachricht, daß der in Varzin weilende Reichskanzler sich über die 
Aeußerungen Mittnachts über den Bundesrat telegraphisch nach Berlin ge- 
äußert habe, erwies sich als unrichtig. Dagegen enthielten viele auswärtige 
Blätter eine Berliner Korrespondenz, welche so lautete: 
„Die Aeußerungen des württembergischen Ministers v. Mittnacht bei der 
Gesamtorganismus des Reichs. Wo die Einzelstaaten dem ihnen innewohnenden Gewicht 
nicht nur entsprechend, sondern sogar über ihr Gewicht hinaus vertreten sind, das ist im 
Bundesrat. Dieser aber ist zur Ausarbeitung größerer organischen Gesetzentwürfe für 
das Reich ungenügend: es fehlt seinen Mitgliedern zu diesem Zweck sowohl an Zeit als 
an Sachkenntnis für das technische Detail, und der letztere Mangel trifft in noch erhöhtem 
Maße die aus dem Schoße des Bundesrats gebildeten engeren Ausschüsse. Das 
Reichskanzler-Amt aber ist zu unentwickelt und nebenbei auch thatsächlich eine zu 
vorwiegend preußische Behörde, um der Ausarbeitung größerer Gesetzesvorlagen unter 
Berücksichtigung der nichtpreußischen Einzelstaaten zu genügen. Das preußische Ministerium 
dagegen bietet den Stützpunki, von welchem aus auch die größten Gesetzvorlagen in Angriff 
genommen werden können. Es hat in seinen Räten schon die erforderlichen Sachverstän- 
digen, welche leicht noch durch Zuziehung geeigneter Personen vermehrt werden können. 
Noch sind wir auch mit dieser Art der Vorbereitung der Gesetze durch Preußen im Nord- 
deutschen Bunde und im Reich nicht schlecht gefahren, während ein abweichender Versuch 
durch Berufung von Sachverständigen aus allen norddeutschen Einzelstaaten bei der 
Vorbereitung einer Zivilprozeßordnung zu einer totalen Mißgeburt geführt hat. 
Eine weitere organische Ausbildung, sei es des Bundesrats, sei es des Reichskanzler-Amts, 
zu einem aktionsfähigeren und zugleich die Staatengesamtheit vertretenden Körper wird 
unausSbleiblich erfolgen müssen.“ 
 
	        
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