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die Verfassung. In den Kreisen der Reichstagsabgeordneten erfreute er sich bei
Gelegenheit seiner mehrfachen Besuche in Berlin einer besonderen Beliebtheit.
In Berlin war derselbe anwesend zur Teilnahme an den Verhandlungen
des Bundesrats: vom 23. November bis 9. Dezember 1870, vom 21. Februar
bis 1. April 1871, vom 7. Dezember bis 23. Dezember 1872, vom 8. März
bis 8. April 1873, vom 2. bis 18. November 1873, vom 13. Februar bis
20. März 1874, vom 20. April bis 6C. Mai 1874, vom 20. November bis
22. Dezember 1874, vom 14. bis 22. Januar 1875, vom 17. Oktober bis
18. November 1875, vom 2. bis 12. April 1876.
Ueber die ersten Beziehungen Freydorfs zu Bismarck finden sich wertvolle
Notizen 1) in der Schrift: „Die Reichsbegründung und das Großherzogtum
Baden“ von Georg Meyer (Heidelberg 1896, Verlag von Gustav Koester). Im
einzelnen ist nachstehendes zu bemerken. Am 3. August 1866 waren Mathy,
v. Freydorf und Jolly in das badische Ministerium berufen worden. Kurz
darauf begab sich der Präsident des Ministeriums v. Freydorf zu den Friedens=
unterhandlungen nach Berlin. Am 9. August fand die erste Unterredung
zwischen ihm und dem Grafen Bismarck statt.:) Den Eintritt Badens in
den Norddeutschen Bund, überhaupt die Herstellung eines staats-
rechtlichen Verhältnisses des Großherzogtums zu demselben lehnte
Bismarck mit Entschiedenheit ab. Er berief sich auf die vertragsmäßigen Verbind-
lichkeiten, welche Preußen in dieser Beziehung sowohl Frankreich als namentlich
auch Oesterreich gegenüber übernommen habe. Aber die Ausdehnung des Nord-
deutschen Bundes, meinte er, sei nur eine Frage der Zeit. Es ließen sich Fälle
denken, wo dieselbe unbedenklich erfolgen könne, zum Beispiel wenn Frankreich
über seine dermaligen Anforderungen hinausgehen sollte. Auch später sei sie
möglich, wenn die süddeutsche Bevölkerung selbst den Anschluß an Preußen
entschieden verlangen würde. Bei der jetzigen Stimmung in Bayern und
Württemberg aber werde ein solches engeres Verhältnis immer als ein durch
Krieg, Sieg, Frieden erzwungenes angesehen werden und ein Odiosum bleiben.
Freydorf bemerkte dem gegenüber, in Baden liege die Sache anders. Die
auf engen Anschluß an Preußen gerichtete Politik der Regierung finde eine
entschiedene Stütze im Volke, namentlich in dem besseren und gebildeten Teile
desselben.
Mit der Herstellung eines völkerrechtlichen Verhältnisses war
Bismarck einverstanden. Aber er wünschte die Verhandlungen darüber bis nach
Konstituirung des Norddeutschen Bundes zu verschieben. Wesentliches Gewicht
1) Wertvoll besonders um deswillen, weil der Verfasser bei Abfassung der Schrift mit
Genehmigung des Ministers v. Brauer die Akten des badischen Ministeriums der aus-
wärtigen Angelegenheiten benutzen durfte.
2) In Kohls Bismarck-Regesten ist bloß das Datum der Unterredung vermerkt (ohne
Inhaltsangabe). Uebrigens schreibt Kohl „Freidorff“ statt „Freydorf“.