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Eine dicke Oberländerin mit großer Markgräflerschleife, dem sogenannten Heimat-
schein, blieb hoch in ihrem Bernerwägelchen sitzen, obgleich die Pferde abgespannt
waren.
Wir eroberten auf dem jenseitigen Ufer ein Fuhrwerk und fuhren die
Chaussee entlang, zu deren beiden Seiten die mächtigen alten Bäume: Platanen,
Pappeln, Kastanien, Nußbäume, gefällt am Boden lagen. Bald mußten wir
ihnen ausweichen und zur Seite fahren.
An der Säule kamen wir vorbei, auf der in goldenen Buchstaben steht:
„Voie de Paris à Vienne par Strasbourg et Kehl“ — Jetzt heißt es:
„Voie de Berlin à Paris“.
Durch das Austerlitzerthor, das ganz erhalten ist, kamen wir in die Stadt.
Unsere Soldaten füllten die Straßen, in denen sich auch viele Einwohner
mit ziemlich vergnügten Gesichtern herumtrieben. Viele zogen jetzt erst wieder
in verlassene Wohnungen und brachten auf Schiebkarren ihren armseligen Haus-
rat herein.
Wir trafen Berthold und andere Bekannte in der „Ville de Paris“; diese
erzählten, und auch Oberstlieutenant v. L., dem wir später begegneten, stimmte
darin überein, daß nicht nur die Zerstörung der Citadelle und anderer Festungs-
werke, die Breschen, sondern hauptsächlich die Insubordination der Truppen den
General Uhrich zur Uebergabe genötigt habe. Straßburg war für eine Be-
lagerung schlecht vorbereitet; die Soldaten hatten kein Unterkommen unter den
Wällen, überhaupt, sogar in der Citadelle, wenig kugelfeste, bombensichere Räume.
Bei der Uebergabe war die Mehrzahl der Soldaten betrunken; sie zerbrachen
ihre Waffen und zündeten vor ihren Generalen und Offizieren Pfeifen und
Cigarren an. Die französischen Offiziere hatten keine Autorität, die deutschen
mußten ihnen zu Hilfe kommen und einschreiten.
Nach einem kurzen Frühstück gingen wir nach den Ruinen der Stein-
vorstadt; sieht man vom Steinthor auf sie herab, so erinnert es an die Ruinen
von Pompeji. Hier erhebt sich kein einzig unversehrtes Haus aus dem all-
gemeinen Chaos der Trümmer. Der Zugang war dem Publikum untersagt,
nur unter Bertholds Leitung konnten wir vorwärts kommen. Mir ließen die
Damen hier zurück und gingen über den Wall und durch das Steinthor, das
zerschossen und mit Säcken teilweise verrammelt war, auf die Straße nach dem
Kirchhof St. Helene, dann durch die III. Parallele und die Approche in die
Lünette 53. Von hier konnte man nicht weiter zu der Bastion 11 und 12
und dem Hauptwall vordringen, ohne sich zuvor der Lünette 52 bemächtigt zu
haben. Auf anderem Weg gingen wir über eine in der Nacht gefertigte Faß-
brücke in die Lünette 52. Hier gegenüber sind in die Bastionen 11 und 12
Breschen geschossen, die aber erst noch mit großen Opfern hätten gangbar ge-
macht werden können.
Zurückgekehrt in die Stadt, kamen wir an den Illkanälen vorüber. Sie