— 182 —
2. November 1870.
Dadurch, daß die Verhandlungen mit Bayern etwas stocken, bekommen
wir leider freie Zeit, aber dafür auch die Aussicht, länger, als für unsere
Geschäfte nötig wäre, hier verweilen zu müssen.
Ich war im Park, auch dort blühen noch Blumen aller Farben. Der
Blick von der hinter dem Schloß beginnenden großen Terrasse über die zwei
obersten Bassins, dann über das weiter unten liegende Bassin d'Apollon und
den Grand-Canal nach Westen hinaus, wo wir über den Wasserspiegeln und
zwischen den Bäumen der mittleren Allee hindurch die Sonne untergehen sahen,
ist sehr schön. Alles aber ist herbstlich gelichtet. Wir gingen zum Bassin
d'Apollon, der inmitten des Wassers die vier Sonnenpferde lenkt, von Tritonen
und Delphinen umgeben. Die Gruppe ist in Bleiguß von Tuby ausgeführt.
Auch dies Bassin ist von Statuen umstellt. Der Marmor ist da, wo er dem
Wetter am meisten ausgesetzt ist, überall schwarz geworden und beginnt zu ver-
wittern. Er verträgt im Freien unser Klima nicht. Durch eine Seitenallee
kamen wir auf die sogenannte Kolonnade, ein von einer doppelten Reihe von
64 Säulen und zwischenliegenden Wasserbecken umstelltes Rondel, in dessen
Mitte sich eine gute Gruppe von Girardon befindet, den Raub der Proserpina
darstellend. Neptun stehend, Proserpina schwebend in den Armen haltend, zu
seinen Füßen ein zweites Weib, wohl eine überwundene Hofdame Proserpinas.
— Unweit davon in einem abgeschlossenen Garten steht einzeln eine korinthische
Säule mit einer weiblichen Figur auf dem Kapitäl. Am Piedestal fand ich
die Verse:
Badois, Sazons, Bavarois,
Dupes d’un Bismarck plein d’astuces,
11 vous fait bücher tous trois
Pour le roi de Prusse.
7 oct. 1870.
*
3. November 1870.
Hier in Frankreich ist es gegenwärtig unangenehm, ein Hammel zu sein.
Man geht nicht aus, ohne einer von Soldaten getriebenen Schafherde zu be—
gegnen, die, wie es scheint, aus allen Ecken und Enden zur Ernährung der
Armee beigetrieben werden.
Wenn Begegnung von Schafherden Glück bedeutet, kann es uns nicht
fehlen.
Gestern fand ein Ausfall bei Vanvres, Südwest von Paris, statt, und
heute nacht ward ungewöhnlich viel geschossen.
Zur Beruhigung unseres Gewissens höre ich, daß die Masse von Schafen,
welche hier ein- und durchpassirt, nicht requirirt, sondern in den besetzten, meist
östlichen Provinzen gekauft ist.
Bei den Vorposten traf die Nachricht ein, daß in Paris der Pöbel die