Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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thatsächlich einen größeren Einfluß einräumten als den Freunden der Regierungs- 
politik. Er machte an dieser Stelle einige nebenher eingefügte Bemerkungen 
über einzelne Persönlichkeiten, welche er als besondere Meister in der Kunst, die 
Ziele der Regierung zu verdächtigen, hinstellte. Er nannte vor allen Herrn 
Professor Mommsen, indem er frug, was man von dem Urteile eines Geschichts- 
schreibers über Zustände vergangener Jahrhunderte halten solle, welcher die 
Gegenwart, in der er lebe, so grundfalsch beurteile. Wenn er, Fürst Bismarck, 
als Ergebnis seines aufrichtigen Bemühens und ernsten Studiums über die 
Wege, um der deutschen Nation wenigstens für die Zukunft die Grundlagen 
des Gedeihens und der Macht zu sichern, Vorschläge einbringe, welche jedenfalls 
auf eine eingehende Prüfung Anspruch hätten, so schreie diese Gesellschaft sofort 
über Reaktion mit den beliebten Schlagworten von Despotismus, Fesselung der 
Gewerbe, Hörigkeit, Junker, Pfaffen, jus primae noctis r2c., und der große 
Haufe falle sofort auf diese Melodie ein. Man werfe ihm persönlich vor, er 
sei herrschsüchtig, unzugänglich gegen entgegengesetzte Meinungen und dergleichen. 
Nichts sei unwahrer als dies; er persönlich habe nur eine Liebhaberei, dies sei 
die freie Natur, besonders ein schöner Wald, er hätte ja die Mittel, dieser 
Neigung sich voll hinzugeben, und wenn er dies nicht thue, so sei es nicht seine 
Herrschsucht, sondern seine Liebe zum Vaterland und seine Treue gegen den 
Kaiser, welche ihn davon abhalte. Ebenso falsch sei es, wenn man ihm 
Neigung zu einer despotischen Regierungsform vorwerfe. Er glaube allerdings, 
daß die absolute Herrschaft eines einzelnen vielleicht die idealste Regierungsform 
sein würde, vorausgesetzt, daß dieser eine immer der Verständigste, von dem 
reinsten Willen und größten Eifer für das öffentliche Wohl beseelt und von 
fremdem Einflusse vollkommen frei sei, aber ein solches Ideal werde sich selten 
finden und nie für alle Zeit zu gewähren sein. Abgesehen von der Frage 
persönlicher Fähigkeit, seien es immer Einflüsse weiblicher Umgebungen, welche 
sich geltend machten (und die Einflüsse dieser Art aus ehelichen Beziehungen 
seien noch nicht immer die schlimmsten); ein andermal suche sich der Herrscher 
thunlichst allen Regierungssorgen zu entziehen — um nicht Anstoß zu erregen, 
citirte er hier einige Kaiser vergangener Jahrhunderte. Aus diesen und ähnlichen 
Gründen sei er durchaus kein Verteidiger, noch Bewunderer absoluter Regierungs- 
formen. 
„Dies alles seien Verdächtigungen, welche gegen ihn verbreitet und welche 
meist um so williger geglaubt würden, als der hungrige Deutsche, welcher die 
Mehrzahl bilde, leichter zu belügen und mit falschen Vorspiegelungen an die 
Wahlurnen zu treiben sei als der satte. 
„Er selbst würde gewiß lieber auf diese Thätigkeit als Staatsmann ganz 
verzichten, als von den Gegnern seiner Politik stets zur Zielscheibe aller Angriffe 
und unwahren Beschuldigungen, gleichsam zum Prügelknaben gemacht zu werden; 
wenn er dieser Neigung nicht längst Folge geleistet habe, so sei es, wie schon
	        
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