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Vor etwa zwei Jahren hatte bei der Hochzeitsfeier des Prinzen Albrecht Fürst
Bismarck den bayerischen Gesandten Freiherrn v. Perglas eingeladen, mit ihm
unter den Mitgliedern des Bundesrats an dem Defilé vor dem Keiser teilzu-
nehmen. Freiherr v. Perglas hielt sich indessen zu den auswärtigen Diplomaten,
worauf ihn der Kanzler bald darauf französisch anredete und, als sich Freiherr
v. Perglas darüber verwundert zeigte, ihm lächelnd sagte: „Da Bayern wieder
seine europäische Stellung eingenommen hat, muß ich Sie schon in der in der
Diplomatie üblichen Sprache anreden.“ So wurde damals erzählt. Dem letzten
diplomatischen Diner bei dem Fürsten Bismarck am 22. März konnte die
Fürstin Bismarck, die etwas unpäßlich war, nicht beiwohnen. Der Reichs-
kanzler forderte den Freiherrn v. Perglas, als „seinen ersten Verbündeten“, wie
er sich ausgedrückt haben soll, auf, den Platz ihm gegenüber einzunehmen.
Ministerialrat im Staatsministerium des Handels und der
öffentlichen Arbeiten Berrt)
(geboren 1830).
Berrs Thätigkeit im Bundesrat war in der Hauptsache auf die Zoll= und
Steuerangelegenheiten gerichtet. Teils infolge seines ständigen Aufenthalts
in Berlin (1868—1872), teils wegen seiner gründlichen Kenntnisse und Er-
fahrungen auf dem erwähnten Gebiete war er vielfach mit einschlägigen Referaten
betraut, und Delbrück nannte ihn scherzweise öfter den Generalreferenten
in Zoll= u. s. w. Sachen. Auch der spätere Präsident des Reichskanzler-Amts,
Staatsminister Hofmann, rechnete ihn zu den tüchtigsten Kräften des Bundesrats.
Eine Anerkennung seiner Thätigkeit durfte Berr wohl darin erblicken, daß ihm
durch Delbrück — jedenfalls mit Genehmigung Bismarcks — unter sehr ehren-
vollen Bedingungen der Eintritt in das Reichskanzler-Amt als vortragender
Rat angeboten wurde. Ein hartnäckiges Kopfleiden seiner Frau — nach ärzt-
lichem Ausspruch durch das Klima verurfacht — zwang ihn indes, dies ehren-
volle Anerbieten abzulehnen.
In seiner späteren Eigenschaft als bayerischer Finanzminister nahm Berr
nur vorübergehend an den Arbeiten des Bundesrats teil.
1) Geboren 1830 zu Pottenstein in der sogen. fränkischen Schweiz. Universitätsstudien
1849—1853 zu Würzburg und München. 1860—1868 Ober-Zollassessor und Ober-Zollrat
im vormaligen Staatsministerium des Handels und der öffentlichen Arbeiten mit dem
Referate über Zoll-, Steuer= und Schiffahrtsangelegenheiten betraut; 1868 Mitglied der
vom Zollbundesrat eingesetzten Kommission für den Zollanschluß der Großherzogtümer
Mecklenburg, der Hansestädte Lübeck und Hamburg; 1868—1872 Ministerialrat und Be-
vollmächtigter beim Zentralbureau des Zollvereins und zum Zollbundesrat, bezw. später
zum Bundesrat des Deutschen Reichs. Während des deutsch-französischen Krieges hatte er
daneben auch die Vertretung Bayerns im Zentralkomite der Pflege für die verwundeten
Krieger. 1872 bis Ende 1877 königlich bayerischer Staatsminister der Finanzen; zurzeit
Staatsrat im außerordentlichen Dienst.