Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

— 14 — 
Vor etwa zwei Jahren hatte bei der Hochzeitsfeier des Prinzen Albrecht Fürst 
Bismarck den bayerischen Gesandten Freiherrn v. Perglas eingeladen, mit ihm 
unter den Mitgliedern des Bundesrats an dem Defilé vor dem Keiser teilzu- 
nehmen. Freiherr v. Perglas hielt sich indessen zu den auswärtigen Diplomaten, 
worauf ihn der Kanzler bald darauf französisch anredete und, als sich Freiherr 
v. Perglas darüber verwundert zeigte, ihm lächelnd sagte: „Da Bayern wieder 
seine europäische Stellung eingenommen hat, muß ich Sie schon in der in der 
Diplomatie üblichen Sprache anreden.“ So wurde damals erzählt. Dem letzten 
diplomatischen Diner bei dem Fürsten Bismarck am 22. März konnte die 
Fürstin Bismarck, die etwas unpäßlich war, nicht beiwohnen. Der Reichs- 
kanzler forderte den Freiherrn v. Perglas, als „seinen ersten Verbündeten“, wie 
er sich ausgedrückt haben soll, auf, den Platz ihm gegenüber einzunehmen. 
Ministerialrat im Staatsministerium des Handels und der 
öffentlichen Arbeiten Berrt) 
(geboren 1830). 
Berrs Thätigkeit im Bundesrat war in der Hauptsache auf die Zoll= und 
Steuerangelegenheiten gerichtet. Teils infolge seines ständigen Aufenthalts 
in Berlin (1868—1872), teils wegen seiner gründlichen Kenntnisse und Er- 
fahrungen auf dem erwähnten Gebiete war er vielfach mit einschlägigen Referaten 
betraut, und Delbrück nannte ihn scherzweise öfter den Generalreferenten 
in Zoll= u. s. w. Sachen. Auch der spätere Präsident des Reichskanzler-Amts, 
Staatsminister Hofmann, rechnete ihn zu den tüchtigsten Kräften des Bundesrats. 
Eine Anerkennung seiner Thätigkeit durfte Berr wohl darin erblicken, daß ihm 
durch Delbrück — jedenfalls mit Genehmigung Bismarcks — unter sehr ehren- 
vollen Bedingungen der Eintritt in das Reichskanzler-Amt als vortragender 
Rat angeboten wurde. Ein hartnäckiges Kopfleiden seiner Frau — nach ärzt- 
lichem Ausspruch durch das Klima verurfacht — zwang ihn indes, dies ehren- 
volle Anerbieten abzulehnen. 
In seiner späteren Eigenschaft als bayerischer Finanzminister nahm Berr 
nur vorübergehend an den Arbeiten des Bundesrats teil. 
1) Geboren 1830 zu Pottenstein in der sogen. fränkischen Schweiz. Universitätsstudien 
1849—1853 zu Würzburg und München. 1860—1868 Ober-Zollassessor und Ober-Zollrat 
im vormaligen Staatsministerium des Handels und der öffentlichen Arbeiten mit dem 
Referate über Zoll-, Steuer= und Schiffahrtsangelegenheiten betraut; 1868 Mitglied der 
vom Zollbundesrat eingesetzten Kommission für den Zollanschluß der Großherzogtümer 
Mecklenburg, der Hansestädte Lübeck und Hamburg; 1868—1872 Ministerialrat und Be- 
vollmächtigter beim Zentralbureau des Zollvereins und zum Zollbundesrat, bezw. später 
zum Bundesrat des Deutschen Reichs. Während des deutsch-französischen Krieges hatte er 
daneben auch die Vertretung Bayerns im Zentralkomite der Pflege für die verwundeten 
Krieger. 1872 bis Ende 1877 königlich bayerischer Staatsminister der Finanzen; zurzeit 
Staatsrat im außerordentlichen Dienst.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.