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den vier Staaten Preußen, Baden, Braunschweig, Lübeck bestand, wollte dem
Reich die Prägung sowie die Kosten der Einziehung verschlechterter Münzen zu-
weisen. Eine andere wesentliche Modifikation der Regierungsvorlage stellte der
Vorschlag der Ausschüsse dar, daß die neue Reichsgoldmünze nicht nur von
den öffentlichen Kassen, sondern auch im allgemeinen Verkehr zwangs-
mäßig als legales Zahlungsmittel angenommen werden sollte. 1)
Bei der zweiten Beratung der Vorlage beschlossen die Ausschüsse noch
einige Abänderungen, welche aber in der Hauptsache nur redaktioneller Natur
waren. 2)
In der Sitzung des Bundesrats vom 6. November 1871 wurde die Münz-
vorlage erledigt, Preußen hatte hierbei die Genugthuung, daß durch die neue
Fassung des § 6 3) die Partikular= oder Landesmünze wenigstens einigermaßen
eingeschränkt wurde. Das Reich sollte nämlich die Kosten der Prägung der-
jenigen Stücke tragen, die von den Einzelstaaten gemünzt werden, so daß diese
gleichsam die Prägung im Auftrage des Reichs bewirken würden. Die Mittel-
staaten gingen darauf ein, augenscheinlich deswegen, damit Preußen nicht mehr
geradezu majorisirt vor dem Reichstag erschien, sondern seine eigenen nachträg-
lichen Anträge zu vertreten hatte. Die Mittelstaaten hofften, dadurch den Kern
der Sache, nämlich die Partikularmünze, in ihrem Sinne zu erhalten. Der
Reichstag ging auf dieses Kompromiß des Bundesrats ein (Gesetz, betreffend
die Ausprägung von Reichsgoldmünzen, vom 4. Dezember 1871, Reichs-Gesetzbl.
S. 404).“)
Ausdehnung der Reichskompetenz auf das gesamte Zivil-
recht. Bei der am 8. Dezember erfolgten Beratung der Ausschüsse für Justiz-
wesen und für die Verfassung über den vom Reichstag mit großer Majorität
angenommenen Laskerschen Antrag waren die drei Königreiche Bayern, Sachsen,
Württemberg, sowie auch Braunschweig gegen den Antrag. Preußen war dafür;
Baden und Lübeck sprachen sich (vorbehaltlich definitiver Instruktionen über
einige Punkte) günstig aus. Der württembergische Bevollmächtigte, Ministerial-
rat v. Kohlhaas war es dort namentlich, der dem Antrage am energischsten ent-
gegentrat. Er fand es formell bedenklich, die so junge Reichsverfassung schon
jetzt zu erweitern, zumal da für eine Kodifikation ein dringendes Bedürfnis in
1) Vergleiche bierzu den Artikel: „Zur Münzreform“ in der „National-Zeitung" Nr. 513
vom 2. November 1871. Die Motive des dem Plenum des Bundesrats erstatteten Berichts
sind veröffentlicht in der Nr. 514 vom 2. November 1871, daselbst auch der Wortlaut des
Entwurfs, wie er aus den ersten Ausschußberatungen hervorging. Eine Kritik desselben
befindet sich in Nr. 515 vom 3. Wovember 1871.
2) Das Nähere erbellt aus der „National-Zeitung“ Nr. 517 vom 4. November 1871.
3) Vergleiche die „National-Zeitung“ Nr. 520 vom 6. November 1871.
4) Die zur Ausführung des Münzgesetzes beschlossenen Direktiven des Bundesrats
findet man in der „National-Zeitung“ Nr. 571 vom 6. Dezember 1871.