Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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Schließlich wurde der Antrag Bayerns mit allen gegen die Stimmen 
von Sachsen und beider Mecklenburg angenommen. Der hessische Bevollmäch- 
tigte enthielt sich der Abstimmung wegen Mangels an Instruktionen. Zur 
Motivirung erklärte der säch sische Bevollmächtigte: Die Regierung würde bereit- 
willig für ein allgemein gehaltenes Gesetz gestimmt haben, durch welches öffent- 
liche Schmähungen und Beschimpfung der Verfassungen oder Gesetze des Deutschen 
Reichs und der einzelnen Bundesstaaten, sowie Versuche, die öffentliche Ordnung 
und Ruhe durch aufregende Aeußerungen zu stören, im allgemeinen mit Strafe 
bedroht würden. Die Herausgreifung einer einzelnen Klasse, der Geistlichen und 
Religionsdiener, um gegen sie und sie allein die Strafgesetze in dieser Richtung 
zu verschärfen, scheint ihr dagegen nicht empfehlenswert, eine solche einseitige 
Behandlung der Geistlichen, die doch nur in einzelnen Gegenden Deutschlands 
durch die Verhältnisse erklärlich werden dürfte, erscheint ihr weder dem Prinzipe 
der Gerechtigkeit entsprechend, noch politisch unbedenklich. Wenn man auf der 
einen Seite die Beschimpfungen und Angriffe der Sozialdemokraten gegen die 
Verfassung und die Gesetze, die täglich in öffentlichen Versammlungen und in 
der Presse vorkommen, hinnimmt, ohne deswegen eine Aenderung der Straf- 
gesetze zu verlangen, auf der andern Seite aber die Geistlichen bestrafen will 
wegen eines Verhaltens, welches den öffentlichen Frieden zu stören geeignet er- 
scheint, also ohne Unterschied, ob eine solche Störung in der Absicht gelegen, 
oder ob sie wirklich erfolgt ist oder nicht, so ist zu befürchten, daß die Betroffenen 
dadurch tief verletzt werden, und die hier und da schon vorhandene Verbitterung 
nur noch mehr gesteigert werden wird. Kommen dann infolge dessen erneute 
Uebergriffe vor und ist man genötigt, deshalb Strafen zu erkennen, so können 
leicht Verhältnisse eintreten, die man gewiß nicht beabsichtigt hat. Da die säch- 
sische Regierung schon aus diesen allgemeinen Erwägungen sich genötigt sieht, 
gegen das Gesetz zu stimmen, so kann sie die erheblichen juristischen Bedenken 
gegen die Fassung des Entwurfs nicht unerwähnt lassen. Dieselbe hat jedoch 
die Abgabe dieser Erklärung für nötig erachtet, um außer Zweifel zu setzen, 
daß sie nur aus diesen allgemeinen Gründen gegen den Antrag stimmt, 
daß sie sich aber in Bezug auf die Verurteilung und Mißbilligung derartiger 
Ueberschreitungen seitens der Geistlichen in vollständiger Uebereinstimmung mit 
ihren hohen Bundesgenossen befindet. 
Der mecklenburgische Bevollmächtigte schloß sich den Erklärungen 
Sachsens an und stimmte demzufolge auch gegen den Hauptantrag. Der würt- 
tembergische Bevollmächtigte konstatirte, daß er bei der Ausschußberatung für 
Androhung einer Geldstrafe bis zu 200 Thaler oder Gefängnisstrafe bis zu 
zwei Jahren sich ausgesprochen habe. — In der Sitzung vom 25. November 
institutionen der Ehe, der Familie oder des Eigentums beschimpft, wird mit Gefängnis bis 
zu drei Jahren oder mit Geldbuße bis zu 300 Thaler bestraft.“
	        
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