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Anfangs Juli 1871 war eine Deputation elsaß-lothringischer Industrieller,
namentlich Vertreter der Eisenindustrie in Lothringen, nach Berlin gekommen,
um der Reichsregierung eine Erleichterung der allerdings verzweifelten Lage
ihrer Industrie nahe zu legen. Um wie große Interessen es sich hierbei handelte,
ging aus dem Umstande hervor, daß die Produktion der Eisenindustrie in Elsaß-
Lothringen ein volles Drittel der gesamten Zollvereinsindustrie ausmachte. Die
Klagen gingen hauptsächlich dahin, daß diese Industrien gar nicht in der Lage
seien, von der im Friedensvertrag stipulirten Vergünstigung der zollfreien Ein-
fuhr ihrer Fabrikate in Frankreich bis zum 1. September Gebrauch zu machen,
da es den betreffenden Eisenbahnverwaltungen vollständig an Material fehle,
um die Fabrikate nach Frankreich zu exportiren. Die bei der französischen Re-
gierung erhobenen Reklamationen führten zu keinem Resultate, da Frankreich
kein Interesse hatte, sich den abgetretenen Gebieten entgegenkommend zu zeigen.
Auf der einen Seite also die französische Grenze, die sie aus Mangel an
Transportmaterial nicht überschreiten konnten, auf der andern die Zollvereins-
grenze, welche sie hinderte, jetzt schon Absatzquellen auf dem deutschen Markte
zu suchen, befanden sich diese großartigen Industrien in einer wahrhaft ver-
zweifelten Lage, um so mehr, als sie seit dem Aufhören der Feindseligkeiten
ihren Betrieb mit aller Kraft wieder aufgenommen hatten. Die Deputation
wurde sofort nach ihrem Eintreffen von dem Fürsten Bismarck und dem Präsi-
denten des Reichskanzler-Amts empfangen. Fürst Bismarck erteilte ihr das
Versprechen, den in Frage stehenden Industrien in jeder möglichen Weise zu
Hilfe zu kommen; es handle sich eben darum, Mittel und Wege dafür ausfindig
zu machen. Der Bundesrat wurde mit dieser Frage nicht beschäftigt.!)
Verzollung gelangenden Wein, Nr. 565 vom 2. Dezember 1871; betreffend die gleichmäßige
Anwendung des § 445 des Vereinszollgesetzes, Nr. 162 vom 5. April 1871; betreffend die
Verwiegung des mit Anspruch auf Abgabenvergütung ins Ausland gehenden Rohzuckers,
Nr. 466 vom 5. Oktober 1871 und Nr. 567 vom 3. Dezember 1871; betreffend die Beauf-
sichtigungskosten von Rübenzuckerfabriken, Nr. 164 vom 6. April 1871; betreffend die Ab-
fertigung des mit dem Anspruch auf Steuervergütung ausgehenden Tabaks, Nr. 309 vom
6. Juli 1871; betreffend Ausführungsbestimmungen zum Tabaksteuergesetz, Nr. 429 vom
14. September 1871 und Nr. 545 vom 21. November 1871; betreffend die Steuer-
vergütung für das aus Preußen respektive Hessen nach Elsaß-Lothringen ausgeführte Bier
und die in Nr. 28 des Begleitscheinregulativs enthaltene Verlängerung der Transportfrist,
Nr. 541 vom 18. November 1871; betreffend die Verlegung der Zolllinie bei Konstanz,
Nr. 222 vom 13. Mai 1871; Antrag Mecklenburgs, betreffend weiteren Nachlaß in der
Nachsteuer, Nr. 88 vom 22. Februar 1872; Bundesratsbeschluß, betreffend ermäßigte Nach-
steuersätze für Brauereibesitzer, welche aus Korn unter Bereitung von Preßhefe Branntwein
fabriziren, „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 42 und 45 vom 20. und 23. Februar;
Ausschußbericht d. d. 14. Februar 1872, betreffend die Zollbefreiung von Kartoffelstärke
zur Stärkezuckerfabrikation, abgedruckt in der S. 102, Note, citirten Quelle.
1) Durch Kaiserliche Verordnung wurde im wesentlichen schon vom 27. August 1871
ab die zollfreie Einfuhr aus dem neuen Reichslande nach Deutschland zugelassen.