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nicht die Notwendigkeit eintreten möge, von der Kreditbewilligung, wie sie der
Entwurf in Aussicht nahm, im vollen Umfange Gebrauch zu machen. Aber
die augenblickliche Lage mache es der Bundesverwaltung zur Pflicht, sich sowohl
in Bezug auf die Höhe des Kredits als auch in Bezug auf die Modalitäten
etwaiger weiterer Kreditoperationen diejenigen Vollmachten erteilen zu lassen,
welche sie in den Stand setzen möchten, nötigenfalls allen Eventualitäten zu
begegnen. Gesetz vom 26. April 18711) (Reichs-Gesetzbl. S. 91).
Tabakmonopol. Ein von der württembergischen Regierung
dem Bundesrat eingereichter Antrag auf höhere Besteuerung des Tabaks,
eventuell Einführung des Tabakmonopols im Deutschen Reich,
lautete wie folgt:
Die Reichsfinanzen sind in dem 12. Abschnitte der Verfassung durch
Art. 70 in der Weise geordnet, daß zur Bestreitung der gemeinschaftlichen Aus-
gaben zunächst die etwaigen Ueberschüsse der Vorjahre, dann diejenigen Einnahmen
dienen sollen, welche aus den Zöllen, den gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern
sowie aus dem Post= und dem Telegraphenwesen fließen. Sovweit diese Ein-
nahmen zur Deckung der Ausgaben nicht hinreichen, müssen die erforderlichen
Mittel durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe der Be-
völkerung aufgebracht werden. Allerdings ist die Einführung von Reichssteuern
vorbehalten, und wird eine solche auf Grund des Gesetzes vom 10. Juni 1869
in der Wechselstempelsteuer erhoben.
Zu einem beträchtlichen Teile seines finanziellen Bedarfs ist indessen derzeit
das Reich auf die Zuschüsse aus den Kassen der einzelnen Bundesstaaten an-
gewiesen. Der ordentliche, durch die Erfüllung der verfassungsmäßigen Auf-
gaben des Reichs bedingte Aufwand kann zu einem erheblichen Betrage aus den
unmittelbaren Einnahmequellen des Reichs noch nicht bestritten werden. Der
Finanzhaushalt des Reichs ist bis jetzt kein selbständiger, in sich abgeschlossener.
Die Organe des Reichs beschließen über dessen Aufwand, über volkswirtschaft-
liche Reformen auf dem Gebiete der gemeinschaftlichen Einnahmen, ohne sich
zugleich auch der Sorge unterziehen zu müssen, die Mittel vom Reich aus voll-
ständig herbeizuführen, deren Ergänzung sie vielmehr von den einzelnen Bundes-
staaten verlangen können.
Ein solches Verhältnis kann auf die Dauer weder dem Reich noch den
einzelnen Bundesstaaten frommen. Den letzteren nicht, sofern ihre Budgets durch
die Ausgaben für die Reichszwecke, auf deren Höhe sie unmittelbar einen
bestimmenden Einfluß nicht haben, sehr erheblich belastet werden und ihnen über-
haupt durch die fortgesetzte Abhängigkeit von den Anforderungen der Reichskasse
1) Näheres über den Inhalt der Vorlage „National-Zeitung“ Nr. 174 vom 14. April
1871 und „Vossische Zeitung“ Nr. 93 vom 14. April 1871.