Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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Bei der Beratung des Bundesrats über die Verwendung der zweiten Rate 
der von Frankreich zu entrichtenden Kriegsentschädigung sprach der 
bayerische Staatsminister v. Pfretzschner den Wunsch aus, daß den Bundes- 
regierungen über den Eingang der von Frankreich noch fernerhin vertragsmäßig 
zu leistenden Zahlungen und über das Maß, in welchem die gezahlten Beträge 
für diejenigen 5 Gesetze in Anspruch genommen würden, für welche, wie bereits 
mitgeteilt, 125 Millionen Franken zu gemeinsamen Ausgaben reservirt werden 
sollten, fortlaufende Mitteilung gemacht werden möge. Der Vorsitzende, Minister 
Delbrück, sagte die Erfüllung dieses Wunsches zu. 
Im Bundesrat stellte sich bald die Ueberzeugung fest, daß die große Vor- 
lage über die Grundsätze der Kriegskontributionsverteilung nicht auf einmal 
ausgeführt werden könne, und da auch Biemarck es als wünschenswert erklärt 
hatte, für jetzt nur die allernächsten Bedürfnisse in das Auge zu fassen und 
als solche die Entschädigung der durch Beschießung mitgenommenen Städte in 
Deutschland und Elsaß-Lothringen, ferner die Entschädigung der deutschen 
Rhederei und endlich die Beihülfen für die aus Frankreich vertriebenen Deutschen 
bezeichnet hatte, so entstanden im Bundesrat fünf Gesetzesvorlagen. 
1. Betreffs der Entschädigung der deutschen Rhederei erschien die 
ursprünglich von dem Kanzler gemachte Anregung 1) den kleineren deutschen Küsten- 
staaten nicht weit genug gehend, und so richteten, und zwar bevor die eigentliche 
Vorlage des Reichskanzlers an den Bundesrat gelangte, die Vertreter von 
Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, Lübeck, Bremen und Hamburg einen ent- 
sprechenden Antrag an den Bundesrat. 2) Der Antrag wurde vom Bundesrat den 
Ausschüssen für das Seewesen und für das Rechnungswesen überwiesen. Unter 
Berücksichtigung desselben arbeiteten diese den Entwurf eines Rhederei-Ent- 
schädigungsgesetzes aus und legten ihn unter dem 26. Mai dem Bundesrat 
vor, worauf derselbe ihn in der Sitzung vom 27. desselben Monats mit 
wenigen stilistischen Aenderungen annahm. Nachdem der Reichstag das Gesetz 
in der vom Bundesrat vorgelegten Fassung angenommen hatte (Gesetz vom 
14. Juni 1871, Reichs-Gesetzbl. S. 249), wählte der Bundesrat am 9. Juli 1871 
die Mitglieder und Stellvertreter der Liquidationskommission. 
2. Gesetzentwurf, betreffend die Entschädigung der aus 
Frankreich ausgewiesenen Deutschen. Gesetz vom 14. Juni 1871 
(Reichs-Gesetzbl. S. 253 f.). 
1) Vgl. zum folgenden den Aufsatz von Professor William Lewis in Berlin: „Die 
Entschädigung der deutschen Rhederei nach dem deutsch-französischen Kriege“ und die „National- 
Zeitung“ Nr. 236 vom 23. Mai 1871, Nr. 248 vom 31. Mai 1871, Nr. 249 vom 31. Mai 
1871 und Nr. 331 vom 19. Juli 1871. Der Kanzler hatte mit der Vorlage vom 15. Mai 
1871 dem Bundesrat ein Regulativ unterbreitet, worin angedeutet war, wie er sich die 
Entschädigung der Rhederei dachte. 
2) Wortlaut abgedruckt in dem in der vorigen Note erwähnten Lewisschen Aufsatz.
	        
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