Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

— 255 — 
fassung des Deutschen Reichs in Elsaß und Lothringen in Kraft treten soll, 
so werden gewisse Abänderungen respektive Ergänzungen der Verfassung not— 
wendig werden. Es wird dies zum Beispiel zutreffen bei der Beschreibung des 
Bundesgebiets, bezüglich der Feststellung der Zahl der im Elsaß und Lothringen 
zu wählenden Reichstagsabgeordneten und wohl auch hinsichtlich der Bildung 
des Bundesrats. Wenigstens entsendet der Kaiser als solcher keinen Bevoll— 
mächtigten zum Bundesrat und sind überhaupt diese Bevollmächtigten nicht bloß 
Vertreter der Regierungen, sondern Mitglieder einer Versammlung, die in ge- 
wissem Maße Funktionen eines Staatenhauses übt und bei deren Beschickung 
auch die Bevölkerungen wesentlich interessirt sind. Es kann allerdings gesagt 
werden, daß sich solche Abänderungen und Ergänzungen der Verfassung von 
selbst verstehen. Es dürfte aber doch an sich richtiger und insbesondere zur 
Verhütung des möglichen Mißverständnisses, als wolle Elsaß und Lothringen 
eine Vertretung im Bundesrat durch den Gesetzentwurf versagt werden, geeignet 
sein, wenn eine bezügliche Hinweisung in die Vorlage aufgenommen würde. 
Das preußische Gesetz, betreffend die Vereinigung der 1866 annektirten Staaten, 
besage nach der Bestimmung, daß die preußische Verfassung in diesen Landes- 
teilen am 1. Oktober 1867 in Kraft trete: „Die zu diesem Behufe notwen- 
digen Abänderungs-, Zusatz= und Ausführungsbestimmungen werden durch be- 
sondere Gesetze festgestellt". Die Aufnahme eines ähnlichen Satzes auch in die 
gegenwärtige Vorlage möchte sich empfehlen. Daß eine Uebergangsperiode er- 
forderlich, bevor das neue Reichsland in die Gemeinschaft des Reichs mit den 
verfassungsmäßigen Rechten und Pflichten eintreten kann, daß die abgetretenen 
Bevölkerungen selbst einen solchen Uebergang wünschen müssen, wird einer be- 
sonderen Begründung nicht bedürfen. Der Termin des 1. Januar 1874, zu- 
sammenfallend mit der Erneuerung der Legislaturperiode des Reichstags, scheint 
nach allen obwaltenden Verhältnissen richtig gewählt zu sein. 
3. Daß einzelne Abschnitte und Bestimmungen der Reichsverfassung schon 
vor dem 1. Januar 1874 in Wirksamkeit sollten gesetzt werden können, erscheint 
als durchaus zweckmäßig, ja wohl notwendig. Man denke an die Bestimmungen 
über Indigenate, Zoll= und Handelswesen, Eisenbahnen, Posten und Telegraphen= 
wesen, Kriegswesen. Eine Mitwirkung des Reichstags hierbei, bevor die Stellung 
des Landes nach allen Seiten eine normale geworden, bei Anordnungen, für 
welche die jeweiligen Verhältnisse und mancherlei nicht näher zu erörternde 
Momente maßgebend sind, möchte um so eher auszuschließen sein, als der 
Reichstag in außerordentlicher Weise nur behufs der Einführung einzelner Teile 
der Verfassung in den neuen Gebieten doch nicht wohl berufen werden kann. 
4. Daß in der Uebergangsperiode bis zum 1. Januar 1874 das Gesetz- 
gebungsrecht überhaupt — auf dem Gebiete der Reichs= und Landesgesetzgebung 
— von Kaiser und Bundesrat ausgeübt werde, wurde vom Ausschusse nicht 
beanstandet. Ein Benehmen mit Notabeln und Sachkundigen des Reichslandes
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.