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nach eigenem Ermessen gewissenhaft zu verwalten, somit auch die preußischen Bevoll-
mächtigten zum Bundesrate mit den erforderlichen Instruktionen zu versehen, wobei,
wie gesagt, nicht anders als bei anderen Ministerien, Fälle eintreten können, in
welchen der Minister des Auswärtigen den Inhalt der von ihm zu erteilenden
Instruktionen zum Gegenstand einer Beratung und Beschlußfassung im Ministerrat
zu machen hat. Erteilt werden aber diese Instruktionen — und regelmäßig ohne
Mitwirkung der anderen Minister — durch den preußischen Minister der aus-
wärtigen Angelegenheiten. Von dem also, was die „National-Zeitung“ frischweg
als gewiß angenommen hat, darf das diametrale Gegenteil als feststehend gelten."“ '1)
Nach dem Rücktritte Bismarcks vom Präsidium des Staatsministeriums
brachte auch die „Kreuz-Zeitung“ unter der Ueberschrift: „Staatsministerium und
Bundesrat“ eine Studie, die beweisen sollte, daß Bismarck fortan in Betreff der
Erteilung von Instruktionen an die preußischen Mitglieder des Bundesrats auf
einen Bruchteil von Einfluß beschränkt sein solle. Nach der Rechnung der „Kreuz-
Zeitung“ betrug derselbe ein Neuntel. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“
(Nr. 12 vom 15. Januar 1873) bezeichnete die von der „Neuen Preußischen
Zeitung“ aufgeworfene Doktorfrage, ob der Reichskanzler als solcher die preußischen
Bevollmächtigten zu instruiren habe, als naiv. „Wenn aber die Alternative der
„Kreuz-Zeitung“ dahin lautet, daß, wenn nicht der Reichskanzler als solcher,
dann das Staatsministerium in corpore die Instruktionen beschließt, so ist das
unrichtig und stimmt auch nicht mit der citirten Kabinetsordre vom 21. vorigen
Monats. Die Instruirung der preußischen Bevollmächtigten gehört zum Ressort
des preußischen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten, der eben diese beiden
Funktionen hat, den Anteil Preußens an den Reichssachen und die preußischen
Missionen an den deutschen Höfen zu bestimmen. Wie bei jedem Ressort, so
kommt es auch bei diesem vor, daß Angelegenheiten desselben von dem Ressortchef
zur Entscheidung des Gesamtministeriums gestellt werden, die aber dadurch nicht
aufhören, zum Ressort dieses Ministers zu gehören."“
Folgen wir der bisherigen Uebung in einer näheren Betrachtung der neuen
Bundesratsmitglieder.
1) In einer Erwiderung (Nr. 593 vom 19. Dezember 1872) nannte die „National-
Zeitung“" die obenstehenden öffiziösen Ausführungen eine „Spiegelfechterei“. „Sie hat aller-
dings einen praktischen Zweck. Fürst Bismarck will den Vorsitz im preußischen Staats-
ministerium aufgeben, aber dabei den preußischen Einfluß auf den Bundesrat wahren und
— was wir selbst eifrigst befürwortet haben — den Zusammenhang zwischen Reichsleitung
und preußischer Staatsleitung aufrecht erhalten. Dazu soll jetzt dem preußischen
Minister des Auswärtigen ein kräftigerer Odem wieder eingeblasen werden. Von
diesem Minister wußte der Oberoffiziöse vor acht Tagen in seiner Korrespondenz an die
„Augsburger Allgemeine Zeitung“ gar nichts mehr, wie wir gestern ausführten; jetzt aber
hat er dessen Herold aus Geheiß seines Herrn und Meisters zu sein, und dieser Pflicht
entledigte er sich durch Schulmeistern über uns.“