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Die erste Fassung des Jesuitengesetzes rührt von dem Justizausschuß her. 1)
Der von ihm ausgearbeitete Entwurf war am 11. Juni im Bundesrat gegen
die Stimme Oldenburgs angenommen worden. Die Sonderstellung Olden-
burgs hatte indessen nicht darin ihren Grund, daß die oldenburgische Regierung
die Tendenz des Gesetzes mißbilligte. In dieser Beziehung befand sich dieselbe
vielmehr in vollständigem Einverständnis mit den übrigen Bundesregierungen.
Sie war jedoch der Ansicht, daß das zu erstrebende Ziel durch das vorgelegte
Gesetz nicht wohl erreicht werden könne, und es war deshalb der oldenburgische
Bundesbevollmächtigte angewiesen worden, wie geschehen, zu stimmen. Baden
stimmte zu, erklärte aber, daß es eine erhebliche Wirkung von diesem Gesetze
nicht erwarte, daß dasselbe vielmehr möglicherweise eine prinzipielle Lösung der
Aufgabe, sei es im Reiche, sei es in den Einzelstaaten, erschweren könnte.
Mecklenburg hätte gewünscht, daß die Fälle, in denen die Ausweisung statt-
finden kann, näher präzisirt worden wären. 2)
Bei der ersten Besprechung der von dem Reichstag demnächst zu dem Gesetz
gefaßten Beschlüsse (19. Juni) kam es zu keiner Einigung, da noch nicht alle
Bevollmächtigte mit Information der einzelnen Regierungen versehen waren.
Wohl aber kam man dahin überein, daß dem Reichstag gegenüber — wie dies
durch den Präsidenten Delbrück geschah — die Zustimmung des Bundesrats zu
den Paragraphen 2 und 3, welche der früheren Vorlage entsprachen, aus-
gesprochen werde. Wie es hieß, hatte von den Bundesregierungen die württem-
bergische sich am meisten beeilt, ihre Zustimmung zu dem Gesetze, wie es der
Reichstag in zweiter Lesung angenommen hatte, melden zu lassen. )
Auch bei der zweiten, am 21. Juni stattgehabten Beratung kam es zu
keinem definitiven Beschlusse des Bundesrats, da noch die sächsischen und baye-
rischen Bevollmächtigten sich nicht im Besitz ihrer Instruktion befanden. Im
übrigen ergab die Diskussion, daß viele Bedenken, welche bei Feststellung des
ursprünglichen Entwurfs des Gesetzes im Bundesrat zum Ausdruck gelangt
waren, durch die Fassung, welche der Reichstag dem Gesetze gegeben hatte, als
beseitigt erkannt wurden. Nur die oldenburgische Regierung hielt ihre Oppo-
sition gegen das Gesetz fest. 4)
Bei der entscheidenden Abstimmung am 25. Juni 1872 nahm der Bundes-
rat die vom Reichstag beschlossene Fassung an. Bei der Abstimmung erklärte
der Staatsminister v. Pfretzschner, daß die bayerische Regierung, indem
sie dem Gesetzentwurfe beistimme, es als selbstverständlich betrachte, daß die
Bestimmung im Artikel 4 Ziffer 1 der Reichsverfassung, wonach das Recht der
1) Abgedruckt „National-Zeitung“ Nr. 268 vom 12. Juni 1872.
2) „National-Zeitung“ Nr. 274 vom 15. Juni 1872.
3) „National-Zeitung“ Nr. 283 vom 20. Juni 1872.
4) „National-Zeitung“ Nr. 287 vom 22. Juni 1872.