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Handhabung der Aufsicht seitens des Reichs über die Heimats- und Nieder—
lassungsverhältnisse und dessen Recht der Gesetzgebung über diesen Gegenstand
sich nicht auf Bayern erstreckt, von dem Gesetze unberührt bleibe, und bei Er—
lassung der Vollzugsvorschriften zu demselben die entsprechende Beachtung finden
werde. Die Versammlung trat dieser Auffassung bei. — Der Geheimrat
v. Koenneritz bemerkte: „Die sächsische Regierung hat bei der bekannten
Bestimmung der sächsischen Verfassungsurkunde (welche die Jesuiten in Sachsen
verbietet) an und für sich kein unmittelbares Interesse an der vorliegenden
Frage und auch keine Gelegenheit gehabt, die Wirksamkeit der Jesuiten im eigenen
Lande aus Erfahrung kennen zu lernen. Sie muß daher denjenigen ihrer hohen
Bundesgenossen, bei welchen dies letztere der Fall ist, auch die Beantwortung
der Frage überlassen, ob die von dem Reichstag beschlossene, über den ursprüng-
lichen Entwurf der verbündeten Regierungen hinausgehende Maßregel durch
die thatsächlichen Verhältnisse geboten sei. Erklärt sich daher die Mehrzahl für
die Annahme des Reichstagsbeschlusses, so stimmt auch die sächsische Regierung
demselben bei.“
Ein dissentirendes Votum gab nur Reuß älterer Linie ab, indem es Be—
denken der Kompetenz und Souveränität geltend machte.
Der Kanzler beantragte demnächst bei dem Bundesrat, das Jesuitengesetz
auch in Elsaß-Lothringen in Kraft treten zu lassen. Die Stellung des Deut—
schen Reichs gegenüber den römisch-jesuitischen Ansprüchen erhielt durch das
Gesetz vom 4. Juli 1872 (Reichs-Gesetzbl. S. 253) jedenfalls eine breite
Signatur, welche wieder auszulöschen der Zentrumspartei trotz ihrer großen
Machtfülle bisher noch nicht gelungen ist.
Die Ausführung des Jesuitengesetzes wurde rasch ins Werk gesetzt. Bereits
in der Sitzung vom 28. Juni beschloß der Bundesrat folgende Ausführungs-
bestimmungen zum Gesetz, betreffend den Orden der Gesell—
schaft Jesu:
1. Da der Orden der Gesellschaft Jesu vom Gebiet des Deutschen Reichs
ausgeschlossen ist, so ist den Angehörigen dieses Ordens die Ausübung einer
Ordensthätigkeit, insbesondere in Kirche und Schule, sowie die Abhaltung von
Missionen nicht zu gestatten.
2. Die Niederlassungen des Ordens der Gesellschaft Jesu sind spätestens
binnen sechs Monaten von dem Tage der Wirksamkeit des Gesetzes an aufzulösen.
3. Die zur Vollziehung des Gesetzes in den einzelnen Fällen zu treffenden
Anordnungen werden durch die Landespolizeibehörden verfügt.
4. Es wird den hohen Landesregierungen empfohlen, die nach dem
Gesetze zulässige Anweisung des Aufenthalts in bestimmten Bezirken oder Orten
der Regel nach auf diejenigen Fälle zu beschränken, in welchen der betreffende
Angehörige des Ordens sich außer stande erklärt, selbst einen bestimmten, ihm
nicht versagten Aufenthaltsort zu wählen.