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erschienen, während die Einzelregierungen nicht wüßten, wie weit sie in der
Beantwortung gehen dürften, abgeschnitten würden. )
Der Bundesratsausschuß für die Geschäftsordnung, welcher mit der
Berichterstattung über den Antrag betraut worden war, stellte den Antrag, der
Geschäftsordnung, wie sie durch die Beschlüsse vom 27. Februar 1871 und
vom 25. März 1872 festgestellt war, folgende Bestimmungen hinzuzufügen:
„5) Veröffentlichung der Verhandlungen. 8 22. Unnmittelbar nach
jeder Sitzung des Bundesrats wird ein Bericht, welcher die Gegenstände der
Verhandlung und den wesentlichen Inhalt der Beschlüsse kurz zusammenfaßt,
durch den ‚Reichsanzeiger‘ zur allgemeinen Kenntnis gebracht. — § 23. In
größeren Zeitabschnitten wird eine für die Oeffentlichkeit bestimmte Ausgabe der
Bundesratsverhandlungen, welche den Inhalt der Protokolle und der Druck-
sachen, soweit sich dieselben zur Veröffentlichung eignen, enthält, durch das
Reichskanzler-Amt, im Einvernehmen mit dem Ausschusse für die Geschäfts-
ordnung, veranstaltet."“
Die vorstehend formulirten Anträge wurden vom Bundesrat mit der Maß-
gabe angenommen, daß mit dieser Veröffentlichung in der nächsten Session be-
gonnen werden sollte.
Auch der Reichstag drängte gleichzeitig auf größere Publizität der Bundes-
ratsverhandlungen. So beschloß derselbe am 12. Juni 1872, an den Reichs-
kanzler das Ersuchen zu richten, dem Reichstag die von dem Bundesrat ge-
faßten Entschließungen auf die von dem Reichstag beschlossenen Gesetzentwürfe
und Anträge spätestens bei Beginn der nächsten Session in schriftlicher Form
mitzuteilen.7
Einen großen praktischen Erfolg hatte der obenerwähnte Bundesratsbeschluß
nicht. Die Referate im „Reichsanzeiger“ bewegten sich nach wie vor in engen
1) Die „National-Zeitung“ Nr. 187 vom 18. April 1872 schrieb hierzu: Dem An-
trag ist auf das dringendste die Zustimmung des Bundesrats zu wünschen. Der jetzige
Zustand, wo über die im Bundesrat schwebenden wichtigen Angelegenheiten das öffentliche
Interesse auf mehr oder minder gewagte Kombinationen angewiesen ist, ist unerträglich.
Die Presse insbesondere, welche die Pflicht hat, dem natürlichen Verlangen der Nation,
über die Stellung und Thätigkeit der Regierungen unterrichtet zu werden, Genüge zu thun,
kann jetzt nicht anders als die ihr bruchstückweise zufließenden, meist der Zuverlässigkeit
entbehrenden Andeutungen und Notizen wiedergeben und durch deren wiederholte und
mannigfache Zusammenstellung ein Bild von den Absichten und Leistungen der Regierungen
hervorrufen, von welchem sie sich selbst sagen muß, daß es durchaus zweifelhafter Natur
ist. Die Schuld dafür bleibt allein auf den Bundesregierungen haften, deren amtliche
oder offiziöse Veröffentlichungen über die Bundesratssitzungen noch hinter denen des be-
grabenen Frankfurter Bundestags zurückbleiben.
2) Die stets gut unterrichtete „Spenersche Zeitung“ wußte zu berichten, daß der würt-
tembergische Antrag von Bayern unterstützt und auch von Preußen demselben zugestimmt
wurde. Vgl. auch die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 91 vom 19. April 1872,
Nr. 128 vom 5. Juni 1872, Nr. 144 vom 23. Juni 1872, Nr. 157 vom 9. Juli 1872.