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oder Aufhebung der Steuer wissen, weil sie davon eine Erhöhung der Matrikular—
beiträge besorgten. Preußen war für die Aufhebung, jedoch unter keinen Um—
ständen um den Preis einer Erhöhung der Matrikularbeiträge. Bei den Er—
wägungen über Kompensationen zum Zweck einer Einnahmevermehrung verlor
man sich wieder in allerlei Finanzoperationen und kam in der That auf jenes
„Steuerbouquet“ zurück, mit dessen Ueberreichung der frühere Finanzminister
v. d. Heydt bei dem Norddeutschen Bunde so übel angekommen war. Der
Finanzminister Camphausen soll sogar einige Neigung für die „Börsensteuer“
zu erkennen gegeben, ein solches Auskunftsmittel aber sonst im Bundesrat und
namentlich bei dem Präsidenten Delbrück keine Zustimmung gefunden haben.
Der Bevollmächtigte Hamburgs erklärte sich mit der Aufhebung der Salzsteuer
nur dann einverstanden, wenn eine weniger unwirtschaftliche Steuer an ihre
Stelle trete, und hatte ausdrücklich gegen eine Börsensteuer als eine unwirt-
schaftliche opponirt. Auch die Erhöhung der Tabaksteuer wurde ventilirt. Wir
kommen in der nächsten Session des Bundesrats auf die Angelegenheit zurück.
Schiffahrtsvertrag mit Rußland. Die russische Regierung hatte
sich bereit erklärt, einen Schiffahrtsvertrag mit Deutschland abzuschließen, und
zwar auf Grundlage eines der von Deutschland in letzter Zeit abgeschlossenen
Schiffahrtsverträge, jedoch mit Ausschluß von Bestimmungen über den Tarif
und über die Befugnisse der Konsulate. Der Reichskanzler hielt es nicht für
zweifelhaft, daß der Abschluß eines Schiffahrtsvertrags auch in einer solchen
Begrenzung im deutschen Interesse liege und beantragte deshalb am 10. Januar
18731) eine Ermächtigung des Präsidiums bei dem Bundesrat, um wegen
eines auf der bezeichneten Grundlage abzuschließenden Vertrags mit der russi-
schen Regierung in Verhandlung zu treten. Der Vertrag kam nicht zu stande.
Von sonstigen internationalen Verträgen ist nichts Bedeutsames zu erwähnen. 2)
Revision des Zolltarifs. Hierauf gerichtete Agitationen fanden im
Bundesrat kein Echo.3)
Sonstige Vorlagen des Reichskanzlers, betreffend ver-
schiedene Zollverwaltungs= und Steuerfragen. Es genügt, die-
selben hier nur aufzuzählen mit dem Beifügen, daß sie in Kohls Bismarck-
Regesten sämtlich übersehen sind:)
1) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt.
2) Ueber den Handelsvertrag mit Portugal, „National-Zeitung“ Nr. 126 vom 15. März
1872, Nr. 320 vom 12. Juli 1872; über den Niederlassungsvertrag zwischen dem Deutschen
Reich und der Schweiz, Nr. 594 vom 19. Dezember 1872 (Verwirklichung erst 1876).
3) Vgl. „National-Zeitung“ Nr. 410 vom 3. September 1872. Ausschußverhandlungen
über die Beschwerden der deutschen Zuckerraffinerie-Interessenten gegenüber Frankreich,
Nr. 283 vom 20. Juni 1872.
4) Der Wortlaut der Schreiben kann der S. 304 (Note) erwähnten Quelle ent-
nommen werden.