Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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Staates in der Zeit vom 16. Juli 1870 bis 1. Juli 1871, wie diese Leistungen 
nach dem Effektivstande der gestellten Mannschaften und Pferde von der hierzu 
niedergesetzten Kommission ermittelt wurden; 2. zu 5/8 nach dem Maßstabe 
der Bevölkerungszahl verteilt. 
Die Antragsteller motivirten ihren Vorschlag damit, daß es jetzt erst mög- 
lich sei, die Verhältnisse zu übersehen und zu würdigen, und daß die militäri- 
schen Leistungen mit dem bloß quantitativen Ausdruck durch die Zahlen des 
Effektivstandes nur einseitig getroffen würden. Die Unzulänglichkeit des bisher 
ins Auge gefaßten Verteilungsmodus trete klar hervor, wenn neben den mili- 
tärischen auch andere Leistungen der beteiligten Staaten in Betracht gezogen, 
und insbesondere wenn auch die politischen Momente gewürdigt würden. 
In den Bundesratsausschüssen wurde vorstehender Antrag nicht angenom- 
men, 1) und ebenso wurde derselbe anfänglich im Plenum zurückgewiesen. Von 
preußischer Seite wurde hervorgehoben: die preußische Regierung halte daran 
fest, daß bezüglich der Verteilung der Bundesratsbeschluß vom 23. Juni 1871, 
der nicht auf einem Majoritätsbeschlusse, sondern auf einer allseitigen Ver- 
ständigung beruhe, maßgebend bleiben müsse, was nicht ausschließe, daß Preußen 
bereit sei, bei der Ausführung des Beschlusses den Wünschen der Bundes- 
genossen, so weit thunlich, entgegen zu kommen. Die preußischen Bevollmäch- 
tigten hielten an dieser Erklärung selbst dann fest, als die süddeutschen Stimmen 
sich bereit erklärten, die Verteilung zu ¾ nach Maßgabe der militärischen 
Leistungen, zu ¼ nach Maßgabe der Bevölkerung stattfinden zu lassen. In 
diesem Stadium der Verhandlung stellte der hessische Bevollmächtigte einen so- 
genannten Vermittlungsantrag, der den Bundesratsbeschluß vom 23. Juni 1871 
nicht nur in einem Punkte, sondern in allen wesentlichen Punkten abändern 
sollte. Demnach sollten aus der Kriegsentschädigung vorab bestritten werden 
nicht nur die gesetzlich gemeinsamen Ausgaben und die sogenannten Präzipual- 
leistungen der einzelnen Staaten, welche von der preußischen, bayerischen, würt- 
tembergischen und badischen Regierung in Verfolg der Feststellung vom 23. Juni 
1871 liquidirt worden waren, sondern auch die gesamten Kriegskosten 
der verbündeten Staaten, welche nach dem Beschlusse vom 23. Juni 1871 aus 
dem Anteile der einzelnen Staaten und durch diese selbst gedeckt werden sollten. 
Der dann noch verbleibende Rest der Kriegsentschädigung sollte alsdann nach 
Maßgabe der Bevölkerung zur Verteilung gelangen. Infolge dieses Antrages 
wurde die Beratung ausgesetzt, um den einzelnen Regierungen Zeit zu lassen, 
sich über ihre Stellung zu verständigen. 
Erfreulicherweise kam demnächst eine Verständigung zu stande. In der 
Sitzung vom 11. Mai 1872 beschloß nämlich der Bundesrat, nachdem Preußen 
1) Ueber das Stadium der Ausschußverhandlungen vgl. die „National-Zeitung“ 
Nr. 212 vom 8. Mai 1872. Wortlaut des aus den Ausschußverhandlungen hervor- 
gegangenen Gesetzentwurfs Nr. 210 vom 7. Mai 1872.
	        
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