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finden können, den Weg der freien Vereinbarung zwischen dem
Reiche und den Einzelstaaten, wobei mehrseitig betont wurde, daß die-
jenigen Regierungen, welche durch Vorschriften der Landesverfassungen oder sonst
in der Verfügung über Staatseigentum beschränkt seien, sich nicht in der Lage
befinden würden, einer Eigentumsübertragung zuzustimmen, ohne des Ein-
verständnisses der Landesvertretungen sicher zu sein, eine Rücksichtnahme, welche
von anderer Seite durch den Einwand zu entkräften versucht wurde, einesteils
daß die Landesverfassungen, vor Errichtung des Reichs entstanden, in Bezug
auf das eigenartige Verhältnis der Bundesstaaten zu letzterem etwas vorzusehen
nicht beabsichtigt haben können, andernteils, daß jeder Bundesstaat als Glied
des Reichs im Miteigentum der von ihm dem Reiche zu überlassenden Gegen-
stände verbleibe und in das Miteigentum sämtlicher von anderen Bundesstaaten
einzuwerfenden Gegenstände trete.
Eine dritte Ansicht stimmte mit der zuletzt erwähnten darin, daß ein
Anspruch des Reichs auf das Eigentum an den fraglichen Gegenständen mit
Grund sich nicht deduziren lasse, und ebenso in den hieraus sich ergebenden
Folgerungen, insbesondere betreffs der landesverfassungsmäßigen Verantwortlich-
keit der Einzelregierungen überein, vermochte aber der Auffassung des bestehen-
den Zustandes als eines rein faktischen, jeden rechtlichen Inhalts baren sich nicht
anzuschließen. Sie wurde in folgender Weise entwickelt: Aus den Bestim-
mungen der Reichsverfassung über das Post-, Telegraphen-, Militärwesen und
die Marine folge, daß diese Zweige der Staatsverwaltung ohne weiteres auf
das Reich haben übergehen sollen. Die Notwendigkeit der Fortführung der Ver-
waltung habe bedingt, daß die ihnen bisher dienstbar gewesenen Grundstücke
ihrer Bestimmung erhalten bleiben, und die Thatsache, daß dieselben ohne An-
stand dem Reiche zu entsprechendem Gebrauche überlassen worden seien, enthalte
das genügend deutliche allseitige Anerkenntnis einer desfallsigen Verbindlichkeit.
Die Eigentumsfrage werde hierdurch nicht berührt. Das Reich stehe in dieser
Beziehung zu den Einzelstaaten in demselben Verhältnisse, in welchem vordem
die für die einzelnen Verwaltungszweige bestellten Behörden des betreffenden
Einzelstaates zu letzterem gestanden haben, insofern zum Beispiel die Post= und
Militärgrundstücke zwar der Verwaltung der Ressortministerien unterstanden,
jedoch nicht Eigentum dieser Verwaltungen, sondern Eigentum des Staates ge-
wesen seien. Der Unterschied liege nur darin, daß das Reich die Verwaltung
kraft eigenen Rechts, nicht, wie die Landesverwaltungen, im Auftrage der
Staatsregierung führe, und daraus folge, daß diesen Verwaltungszweigen die
ihnen reichsverfassungsmäßig zustehende Benutzung der denselben bisher dienstbar
gewesenen Staatsgrundstücke durch die Regierung des betreffenden Einzelstaats,
dem sie eigentümlich gehören, nicht einseitig entzogen werden könne. Das dem
Reiche übertragene Benutzungsrecht werde also — soweit nicht ein anderes aus
besonderen Vereinbarungen sich ergebe — als ein immerwährendes aufzufassen