Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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ihres Gesandten die Angelegenheit wieder angeregt, und der Reichskanzler hatte, 
davon ausgehend, daß eventuell eine gleichmäßige Regelung des Verfahrens 
für das Reich anzustreben sein werde, die betreffende bayerische Note vom 
13. Februar 1872 1) dem Bundesrat übergeben und dadurch eine Erwägung 
der Angelegenheit eingeleitet. In der Note wurde zur Vereinfachung vor- 
geschlagen, daß die bezüglichen Mitteilungen nicht mehr auf diplomatischem Wege 
und mit höherer Beglaubigung, sondern einfach von Behörde zu Behörde erfolgen 
und daß die Einrichtung für das ganze Reich in Kraft treten solle. Zwischen 
Bayern und Mürttemberg bestand ein solches Abkommen bereits seit 1859. 
Auch mit anderen deutschen Regierungen hatte Bayern seit 1861 Verträge in 
derselben Richtung geschlossen, die aber noch den umständlichen Weg des diplo- 
matischen Austausches der Mitteilungen feststellten. 
Bayern hatte 1871 bei dem Bundesrat den Antrag gestellt, mit dem 
Reichstage ein Gesetz zu vereinbaren, durch welches die Todeserklärung 
der im letzten Kriege Verschollenen nach zeitgemäßen Grundsätzen ge- 
regelt werde. Diesem Antrage wurde nicht Folge gegeben, weil man es für 
zweckmäßig hielt, den Weg der Gesetzgebung der Einzelstaaten zu betreten. 
Der Justizausschuß des Bundesrats beschäftigte sich in eingehendster Weise 
mit dem Reichstagsbeschluß vom 12. Juni 1872 über die Verfassungs- 
verhältnisse des Fürstentums Ratzeburg?) und erstattete darüber 
einen Bericht. Derselbe begann mit einem geschichtlichen Rückblick und kam 
dann auf den früheren Beschluß des Bundesrats über dieselbe Angelegenheit 
vom 1. Mai 1870 zurück, welcher die Erklärung abgab, daß eine Verfassungs- 
streitigkeit im Sinne des Art. 76 der Bundesverfassung nicht vorliege und daß 
die Beziehungen des Fürstentums zu Mecklenburg-Strelitz nach den Erklärungen 
des Bundesbevollmächtigten als vollständig geregelt erachtet werden müßten. 
Derselbe Ausschuß entschied ferner über einen Antrag eines elsaß- 
lothringischen Bürgers, betreffend Rechtshilfe gegen einen katho- 
lischen Geistlichen, auf Abweisung des Petenten. Es handelte sich um Zurück- 
weisung eines Schreiners von der Teilnahme an einer Prozession durch einen 
Geistlichen. Der Schreiner beantragte wegen öffentlicher Beleidigung bei der 
Strafkammer des Kaiserlichen Landgerichts zu Saargemünd Bestrafung des Geist- 
lichen. Das Landgericht hatte diese Klage als „zur Zeit“ unzulässig abgewiesen, 
weil im vorliegendem Falle nach Lage der französischen Gesetzgebung die Sache 
zur Kognition des Staatsrats zu bringen war. Da nun an Stelle desselben der 
Bundesrat getreten war, so verlangte der Schreiner von diesem die Ermächtigung 
zur Verfolgung des Geistlichen. Der Bundesrat wurde von dem Ausschuß 
1) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnt. 
2) Vxgl. Bd. I. S. 193. 
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. II. 21 
 
	        
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