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Am 6. Mai 1868 traf Suckow ein zweitesmal in Berlin ein, diesmal als
Chef des württembergischen Generalstabs und in der Absicht, sich mit Moltke
über die Mobilmachungsfragen ins Einvernehmen zu setzen. Noch am Tage
seiner Ankunft in Berlin hatte er eine erste Unterredung mit Moltke, worüber
seine Aufzeichnungen das Folgende besagen:
Die Besprechung begann damit, daß ich sagte, ich sei gekommen, um zu
fragen, was wir bei einem plötzlichen Einbruch der Franzosen nach Süddeutsch-
land herein zu thun haben. Moltke entgegnete, da müsse er zuerst fragen, was
wir zu leisten im stande sind und wie schnell; aufrichtig sage er mir, daß er
unsere Leistung nicht bloß als eine schwache, sondern auch unzuverlässige ansehen
müsse; am besten wäre es, man würde uns sagen, sieh zu, wie du dir selber
hilfst; die Dinge werden um so schneller gehen, je ungestörter man Varnbüler
bei uns wirtschaften läßt, und für Preußen sei der Thüringer Wald eine viel
bessere Flanke als der Oberrhein.
Das heißt also, Moltke weist bei einem Kriege gegen Frankreich die Ver-
teidigung Süddeutschlands von sich und behandelt dasselbe als Vorglacis und
Kriegsschauplatz, da auf falsche Bundesgenossen keine Rechnung zu stellen ist.
Ich erwiderte Moltke, daß — auch abgesehen von der nationalen Seite —
es Preußen nicht gleichgiltig sein kann, wenn Süddeutschland dem Demagogentum
verfällt und in französische Vasallenschaft gerät. Moltke erkannte dies gerne an,
wie er sagte, ging dann auf das strategische Verhältnis zu Frankreich über,
bestätigte die falsche Lage von Ulm wie aller süddeutschen Festungen und be-
merkte dabei, daß die Verteidigung von Ulm den Bayern zufallen könnte, welche
bei ihrer mangelhaften Organisation doch nur langsam mit der Mobilmachung
zu stande kommen. Preußen könnte hier eine Konzession an Bayern machen,
wenn dasselbe ein Aequivalent böte, als welches er sich freilich nichts zu denken
vermöge.
Ich sagte, Ulm in den Händen der Bayern sei eine gefährliche Sache,
Hohenlohe scheine gut gesinnt zu sein, aber man weiß nicht, wie lange er bleibt
und was nachher kommt; wir haben deshalb unser linkes Ufer von Ulm in der
Hand behalten, bis die Festung eine deutsche sein wird; sonst haben wir kein
Interesse an Ulm, sondern sehen es als unfre Aufgabe an, möglichst viele und
gute Truppen ins Feld zu stellen, haben deshalb auch im Mobilmachungsplan
nur vier Ersatzbataillone für Ulm vorgesehen und geben kein Geld für die
Festung aus.
Moltke war ersichtlich sehr befriedigt von dem, was ich sprach, und sagte
wiederholt: „Ich sehe schon, daß wir zwei Generalstabsoffiziere uns leicht ver-
stehen werden bei den richtigen Anschauungen, die Sie haben."“
*
Die zweite Besprechung Suckows mit Moltke fand am 12. Mai statt, bei