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strafen. Den Nationalliberalen habe ich immer gesagt, daß ich die Sache vom
Standpunkte des Jägers betrachte: wenn ich einen Kirreplatz anlegen will, schieße
ich nicht gleich die erste Ricke weg, sondern warte, bis das Rudel die Fütterung
angenommen hat.
Die Möglichkeit eines Krieges anlangend, so ist der Norddeutsche Bund
eine Macht, welche einer jeden gewachsen ist. Für Süddeutschland liegt die
Sache so, welchen Alliirten es sich wählen will; Oesterreich kann es nicht sein,
wir hätten nichts dagegen, aber Oesterreich will entschieden nicht, und Frankreich
wird Süddeutschland weniger Schutz gewähren als der Norddeutsche Bund.
Thüngen hat zu mir gesagt, Bayern sei schlecht daran, zwischen Oesterreich und
Frankreich eingeklemmt, ich habe ihn gefragt, ob er glaube, daß Bayern besser
daran wäre, zwischen Preußen und Frankreich eingeklemmt.
Am 2. März 1869 erschien in Zürich Arkolays Broschüre: „Der An-
schluß Süddeutschlands an die Staaten der preußischen Hegemonie, sein sicherer
Untergang bei einem französisch-deutschen Kriege“. Darauf antwortete Suckow
durch eine Schrift: „Wo Süddeutschland Schutz für sein Dasein findet“, ohne
sich als Verfasser zu nennen.
Es war darin eingehend dargethan, daß Frankreich für sich allein einen
Krieg mit Deutschland nicht zu führen vermöge und der Versuch dazu die
deutschen Heere nach Paris führen wird, daß die Bürgschaft des Friedens einzig
und allein in der Einigkeit der deutschen Nation beruht und die Kriegsgefahr
in der Hoffnung auf den Abfall Süddeutschlands von der nationalen Sache
liegt, daß dessen Neutralität in dem Krieg zwischen Deutschland und Frankreich
ein Wahn ist oder eine Lüge zur Verdeckung des Bündnisses mit dem Ausland,
und daß die Folge solcher Neutralität die Verheerung Süddeutschlands durch
den Krieg und der Untergang der süddeutschen Staaten wäre.
General v. Moltke, welchem der Verfasser diese Arbeit einsandte, schrieb
am 23. April nachstehenden Brief an Suckow:
Hochgeehrter Herr Oberst!
„Es ist leicht, sich zum Wortführer der augenblicklich herrschenden öffentlichen
Meinung zu machen, schwer und verdienstvoll aber, die Wahrheit offen zu
sagen, wo sie den Fels bildet, gegen welchen diese stets schwankende Strömung
gerade anbrauset. Ich habe mit dem regsten Interesse Ihre vortreffliche Schrift
gelesen, welche ebenso gründlich wie klar und gewandt mit einer unerbittlichen
Logik zum allein richtigen Resultat führt. Die Schwierigkeit Ihrer persönlichen
Stellung erhöht das Verdienst Ihrer Arbeit, denn den Verfasser wird man
es ungue leonem bald heraus erkennen. Ich glaube nicht, daß die Schrift
alsbald einen Wechsel in der Politik Süddeutschlands bewirken wird, Meinungen
müssen erst Wurzel fassen und Früchte tragen, aber die in so überzeugender
Form dargelegte Wahrheit kann nicht ohne Einfluß bleiben.