Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

— 339 — 
Mittnacht, daß wir sofort nach Hause reisen müssen, um die Sache persönlich 
zum Austrag zu bringen, Stirn an Stirne, und daß wir damit nur die Schluß- 
konferenz von morgen abwarten wollen, um mit den fertigen Verträgen vor den 
König zu treten, entweder — oder. Mittnacht war einverstanden. 
Wie bestimmt, fand die Schlußbesprechung am 12. November mittags 1 Uhr 
bei Bismarck in der Rue de Provence statt. 1) Hierbei eröffneten wir Bismarck, 
daß und warum wir nicht unterzeichnen dürfen, sondern nach Hause reisen 
müssen. Der Kanzler war einen Augenblick betroffen und sagte dann ruhig: 
„Der Weg für Sie ist, etwas Bestimmtes zu wollen.“ Ich sagte ihm, daß ich 
mit der Unterschrift zurückkomme oder nicht mehr. Tags darauf reisten wir nach 
Stuttgart mit Eintreffen am 15. November. 
Nach mehrfachen Ministerbesprechungen erstatteten Mittnacht und ich dem 
König am 19. November gemeinschaftlichen persönlichen Vortrag namens des 
Gesamtministeriums auf Annahme der Bundesverträge samt der Militärkonvention 
nach den Versailler Vereinbarungen. Der König genehmigte den Vertrag 
schweigend mit seiner Unterschrift. Nachmittags kam das Telegramm von 
Bismarck an den preußischen Gesandten Herrn v. Rosenberg in Stuttgart:2 
„Wir haben die Berufung des Reichstags nicht länger verschieben können und 
deshalb heute mit Baden und Hessen in der vereinbarten Weise abgeschlossen. Bundes- 
rat tritt Montag, Reichstag Donnerstag zusammen. Wenn die beiden Minister 
unmittelbar nach Berlin gehen, kann der Abschluß dort mit Delbrück erfolgen."“ 
Darauf reisten Mittnacht und ich in der Nacht zum 21. November nach 
Berlin und hatten die beiden nächsten Tage Verhandlungen mit Delbrück. 
Die Nachricht, daß die Bayern abgeschlossen haben, telegraphirten wir am 
24. vormittags nach Hause, und daß uns nur das Unterzeichnen bleibe ohne 
Zögern. Abends erhielten wir das Telegramm, zu unterzeichnen, was tags 
darauf, am 25. abends 8 Uhr, geschah, als die letzten von allen. 
Am 30. November sagte mir Mittnacht, ich müsse sogleich nach Stuttgart, 
als notwendig dort bei dem König gegen die Maulwurfsarbeit gewisser Reichs- 
feinde, und ich reiste darauf am Abend ab. 
Am 23. Dezember wurden unsere Versailler Verträge samt dem Deutschen 
Kaiser von der schwäbischen Abgeordnetenkammer mit überwiegender Majorität 
angenommen, und die Standesherren folgten am 27. nach. Damit ist das 
Land Württemberg in alle Zeit dem deutschen Nationalbund eingefügt. 
* 
Am 17. Mai 1871 sagte Mittnacht zu mir, ich müsse sogleich nach Berlin 
in den Bundesrat wegen unseres Anteils an der französischen Kriegskontribution; 
ich reiste am 18. Mai und kehrte am 24. Juni zurück. Am 3. Juni saß ich im 
Reichstag am Tisch des Bundesrats, wo mich Bismarck herzlich als Kollege 
1) In Kohls Bismarck-Regesten ist diese Zusammenkunft nicht erwähnt. 
2) In Kohls Bismarck-Regesten unerwähnt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.