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Mittnacht, daß wir sofort nach Hause reisen müssen, um die Sache persönlich
zum Austrag zu bringen, Stirn an Stirne, und daß wir damit nur die Schluß-
konferenz von morgen abwarten wollen, um mit den fertigen Verträgen vor den
König zu treten, entweder — oder. Mittnacht war einverstanden.
Wie bestimmt, fand die Schlußbesprechung am 12. November mittags 1 Uhr
bei Bismarck in der Rue de Provence statt. 1) Hierbei eröffneten wir Bismarck,
daß und warum wir nicht unterzeichnen dürfen, sondern nach Hause reisen
müssen. Der Kanzler war einen Augenblick betroffen und sagte dann ruhig:
„Der Weg für Sie ist, etwas Bestimmtes zu wollen.“ Ich sagte ihm, daß ich
mit der Unterschrift zurückkomme oder nicht mehr. Tags darauf reisten wir nach
Stuttgart mit Eintreffen am 15. November.
Nach mehrfachen Ministerbesprechungen erstatteten Mittnacht und ich dem
König am 19. November gemeinschaftlichen persönlichen Vortrag namens des
Gesamtministeriums auf Annahme der Bundesverträge samt der Militärkonvention
nach den Versailler Vereinbarungen. Der König genehmigte den Vertrag
schweigend mit seiner Unterschrift. Nachmittags kam das Telegramm von
Bismarck an den preußischen Gesandten Herrn v. Rosenberg in Stuttgart:2
„Wir haben die Berufung des Reichstags nicht länger verschieben können und
deshalb heute mit Baden und Hessen in der vereinbarten Weise abgeschlossen. Bundes-
rat tritt Montag, Reichstag Donnerstag zusammen. Wenn die beiden Minister
unmittelbar nach Berlin gehen, kann der Abschluß dort mit Delbrück erfolgen."“
Darauf reisten Mittnacht und ich in der Nacht zum 21. November nach
Berlin und hatten die beiden nächsten Tage Verhandlungen mit Delbrück.
Die Nachricht, daß die Bayern abgeschlossen haben, telegraphirten wir am
24. vormittags nach Hause, und daß uns nur das Unterzeichnen bleibe ohne
Zögern. Abends erhielten wir das Telegramm, zu unterzeichnen, was tags
darauf, am 25. abends 8 Uhr, geschah, als die letzten von allen.
Am 30. November sagte mir Mittnacht, ich müsse sogleich nach Stuttgart,
als notwendig dort bei dem König gegen die Maulwurfsarbeit gewisser Reichs-
feinde, und ich reiste darauf am Abend ab.
Am 23. Dezember wurden unsere Versailler Verträge samt dem Deutschen
Kaiser von der schwäbischen Abgeordnetenkammer mit überwiegender Majorität
angenommen, und die Standesherren folgten am 27. nach. Damit ist das
Land Württemberg in alle Zeit dem deutschen Nationalbund eingefügt.
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Am 17. Mai 1871 sagte Mittnacht zu mir, ich müsse sogleich nach Berlin
in den Bundesrat wegen unseres Anteils an der französischen Kriegskontribution;
ich reiste am 18. Mai und kehrte am 24. Juni zurück. Am 3. Juni saß ich im
Reichstag am Tisch des Bundesrats, wo mich Bismarck herzlich als Kollege
1) In Kohls Bismarck-Regesten ist diese Zusammenkunft nicht erwähnt.
2) In Kohls Bismarck-Regesten unerwähnt.