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nehmern genommen, hatte zu der Ueberzeugung geführt, daß den hervorgetretenen
Uebelständen zum Teil auch durch Aenderung der geltenden Gesetzgebung begegnet
werden könne. Der Reichskanzler legte infolge dessen dem Bundesrat den
Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung einiger
Bestimmungen der Gewerbeordnung nebst Motiven zur Beschluß-
fassung vor. Der Gesetzentwurf sollte den hervorgetretenen Bedürfnissen abhelfen,
indem er im ersten Artikel die Behörden und das Verfahren in gewerblichen
Streitigkeiten regelte und im zweiten Artikel die Strafbestimmungen der Gewerbe-
ordnung in der angedeuteten Richtung vervollständigte, sowie gleichzeitig die
Bestimmungen über die Anwendbarkeit der Vorschriften der Gewerbeordnung
auf das Bergwesen den hervorgetretenen Bedürfnissen entsprechend modifizirte. 1)
Im Anschlusse hieran legte Fürst Bismarck als Minister des Auswärtigen im
Auftrage der preußischen Regierung dem Bundesrat den Entwurf eines
Gesetzes, betreffend die Bestrafung der Kontraktbrüchigkeit
der land= und forstwirtschaftlichen Arbeitgeber und Arbeit-
nehmer zur verfassungsmäßigen Zustimmung vor. Der Entwurf lautete
in seinem einzigen Paragraphen: „Die im zweiten Artikel des Gesetzes,
betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen der Gewerbeordnung vor-
gesehenen Strafen finden auch da Anwendung, wo die mit Strafen be-
drohten Handlungen gegen land= und forstwirtschaftliche Arbeitgeber oder Arbeit-
nehmer (8 153 daselbst) bezüglich von denselben (§ 153 a) begangen werden.
Auf das ländliche Gesinde und die Hausoffizianten findet dieses Gesetz keine
Anwendung.“
In der vereinigten Sitzung des Handels= und des Justizausschusses des
Bundesrats wurde der Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung einiger Be-
stimmungen der Gewerbeordnung, mit nur wenigen Modifikationen?)
genehmigt.
Nur dieser (nicht auch der vorgenannte) Entwurf gelangte an den Reichs-
tag (18. Juni 1873, Reichstagsdrucksache Nr. 198, I. Legislaturperiode,
IV. Session) ohne aber daselbst durchberaten zu werden. Die Vorlage wird
uns in der nächsten Session des Bundesrats aufs neue beschäftigen. 3)
1) Die Motive zu dieser Bundesrats-Vorlage findet man in der „Norddeutschen
Allgemeinen Zeitung“ Nr. 134 vom 12. Juni 1873.
2) Aufgezählt in der „National-Zeitung“ Nr. 278 vom 18. Juni 1873. Bei dem
Bundesrat eingereichter Protest gegen die Gewerbeordnungs-Novelle, Nr. 292 vom
26. Juni 1873.
3) Anträge des Reichskanzlers, betreffend die Abänderung der Prüfungsvorschriften
für Apotheker, „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 141 vom 20. Juni 1873; betreffend
die Freizügigkeit derselben, Nr. 269 vom 18. November 1873; betreffend die gegenseitige
Beistandleistung der Gemeinden zum Zwecke der vorläufigen Vollstreckung ihrer auf Grund
des § 10 der Gewerbeordnung ergehenden Entscheidungen, „National-Zeitung“ Nr. 459
vom 2. Oktober 1873; betreffend den Abschluß einer Uebereinkunft zwischen dem Deutschen