Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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Das sei an sich sehr gut; allein es zeige sich auch nirgends mehr als bei 
uns die Schattenseite, daß jeder für sich etwas Besonderes haben wolle. 
Nirgends habe es früher mehr kleinere Herrschaften: Reichsstädte, Reichsfürsten, 
Ritter u. s. w. gegeben als bei uns. Ich bemerkte, er scheine also von uns das- 
selbe zu denken, was noch nicht lange Rümelin geäußert, daß sich im Schwaben 
die Natur des Deutschen, seine guten und seine schlechten Eigenschaften in ver- 
stärktem Maße ausdrücken. Er bestätigte das und meinte dann: eine größere 
Einigung der Mehrzahl der Deutschen als zur Zeit, sei nur auf dem Wege 
der Gewalt oder dann zu erreichen, wenn sie eine gemeinsame äußere Gefahr 
in Zorn brächte. Es sei das aber vielleicht von der Vorsehung weislich so 
geordnet. Denn hätten die Deutschen nicht ihren Absonderungsgeist gegen ein- 
ander, so würde neben ihnen keine andere Nation bestehen können. Später 
kam er auf die allgemeine Wehrpflicht: „So lange die Franzosen die allgemeine 
Wehrpflicht bei sich nicht einführen, brauchen wir sie nicht zu fürchten. Das 
ist das ganze Geheimnis. Die Opfer, welche die allgemeine Wehrpflicht fordert, 
treten weit zurück hinter den Nutzen, den sie schafft. Ich selbst bin ein ver- 
zogenes Muttersöhnchen gewesen und es hat mir sehr gut gethan, auf das 
Wohlleben, in dem ich mich befand, verzichten, den Tornister auf den Rücken, 
die Muskete auf die Schulter nehmen und mitunter auf Stroh schlafen zu 
müssen. Sie glauben nicht, welche Wirkung es hat, wenn der Bauer sagen 
kann: Da, neben dem Junker bin ich in Reih' und Glied gestanden. Auf 
fünf Meilen von meinem Gut hinaus, in unserem ganzen Werbebezirk kenne 
ich infolge dessen die Leute persönlich; von der Militärzeit her sind mir die 
Bedürfnisse der verschiedenen Klassen bekannter geworden: Daß das nachhält, 
setzt freilich voraus, daß man auf dem Lande bleibt und sein Gut selbst bewirt- 
schaftet. Das thut der pommersche Adel, und thut's einer nicht, lebt einer faul 
von seinen Renten, so besinnt man sich schon, ob man ihm die Tochter zur 
Frau gibt, und wäre es der reichste. Die allgemeine Wehrpflicht hebt auch 
den Offiziersstand. Wo so viele gebildete Elemente unter den gemeinen Sol- 
daten, muß der Offizier sich doppelt anstrengen.“ Ueber die Diplomaten äußerte 
er sich mit gleicher Offenheit. Der . sche Gesandte, der auch im Bundes- 
rat sitzt, scheine ihm mehr eine ornamentale Bedeutung zu haben. Seine Diplo- 
maten müssen jetzt alle zuerst tüchtig im Ministerium arbeiten lernen. Kommen 
sie zu früh hinaus, so überschätzen sie sich bei den höflichen Formen, mit denen 
ihnen überall begegnet wird, und dann lernen sie nie etwas leisten. Auch 
dürfe ihm keiner eine Ausländerin heiraten. Eine Französin, eine Oesterreicherin 
bleibe dies ihr Leben lang, eine Russin schmiege sich schon eher. Ich berührte 
den Fall der Frau v. Below, der Tochter Varnbülers, die im Jahre 1866 
auch erklärt habe, bei ihrem Manne oder wenigstens in dessen Heimat bleiben 
zu wollen. Bismarck bestätigte dies und sagte, sie habe das Wort der heiligen 
Schrift befolgt, welche gebiete: Das Weib soll Vater und Mutter verlassen und
	        
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