Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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verfassung oder in Ausführung anderer Reichsgesetze erforderlich erscheinen, nach 
vorgängiger Vernehmung der verbündeten Regierungen im Reichskanzler-Amte 
oder auf dessen Veranlassung zu fertigen seien und in den dazu geeigneten 
wichtigeren Fällen den Regierungen die Möglichkeit offen zu halten sei, schon in 
dem Vorbereitungsstadium solcher Gesetze an der Abfassung derselben mitzuwirken. 
Die bayerische Vertretung hält sich im Interesse einer gedeihlichen Reichs- 
entwicklung für verpflichtet, die Aufmerksamkeit des Bundesrats auf diesen 
Gegenstand zu lenken, und stellt den Antrag, die Sache den Ausschüssen für 
Verfassung und Geschäftsordnung zu dem Zwecke zu überweisen, den dargelegten 
Verhältnissen eine nähere Würdigung zu widmen und der hohen Versammlung 
entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. 
Selbstverständlich soll durch diese Anregung dem Rechte jedes Bundes- 
staates, selbständige Anträge an den Bundesrat zu bringen, nicht zu nahe ge- 
treten werden." « 
Dem Antrag wurde durch Ueberweisung an die genannten Ausschüsse 
geschäftsordnungsmäßig entsprochen. 
Die Bundesratsausschüsse für die Verfassung und Geschäftsordnung be— 
antragten einstimmig die Annahme des Antrages Fäustle wegen vorgängiger 
Vernehmung der Bundesregierungen bei Ausarbeitung von Gesetzentwürfen. Aus 
guter Quelle verlautete, daß Bismarck dem Antrag nicht unfreundlich gegen- 
über stand. . 
Schließlich (31. Mai 1873) wurde derselbe in folgendem Vorschlage des 
Königlich württembergischen Staatsministers Dr. v. Mittnacht, der allseitige Zu— 
stimmung fand, erledigt: „Der Bundesrat wolle, vorbehaltlich der Befugnis 
jedes Bundesgliedes, Vorschläge zu machen und in Vortrag zu bringen (Artikel 7 
der Verfassung), und vorbehaltlich der besonderen Beschlußnahme des Bundes- 
rats über die Vorbereitung und weitere Behandlung einzelner Gesetzentwürfe, 
beschließen: den Reichskanzler zu ersuchen, die Ausarbeitung der Entwürfe zu 
Reichsgesetzen in der Weise herbeizuführen, daß regelmäßig die Regierungen von 
dem Bevorstehen einer Vorlage Kenntnis und vor Feststellung des Entwurfs zur 
Geltendmachung ihrer Anschauungen Gelegenheit erhalten.“ 
Bald darauf verlautete, daß es die Absicht sei, dem Standpunkt der süd- 
deutschen Staaten in weiterem Umfange zu entsprechen und im Reichskanzler- 
Amt eine eigene Abteilung für die Gesetzgebung einzurichten und an deren Ar- 
beiten Mitglieder aus sämtlichen Bundesstaaten teilnehmen zu lassen. Aus der 
Sache wurde aber nichts. Der bayerische Antrag hatte aber doch eine gute 
Wirkung, wenn er auch das Räderwerk, wie die Reichsgesetze zu stande kamen, 
noch komplizirter gestaltete. 
Antwort des Bundesrats auf die Beschlüsse des Reichs- 
tags. In der Sitzung vom 7. März 1873 beschloß der Bundesrat auf
	        
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