Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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die Stellung schlüssig, welche er zu dem Antrag des Abgeordneten Schulze 
(Berlin) wegen Gewährung von Diäten und Reisekosten an die Mitglieder des 
Reichstags einzunehmen gedachte. Die Majorität des Bundesrats sprach sich 
gegen den Antrag aus, welcher Ansicht später der Präsident des Reichskanzler- 
Amts in der Plenarsitzung des Reichstags Ausdruck gab. 
Als der Reichstagsbeschluß demnächst an den Bundesrat gelangte, sprach 
sich der Verfassungsausschuß für Ablehnung der Reichstagsdiäten aus, aber für 
die Gewährung freier Fahrt auf den Staatseisenbahnen, welches Verfahren die 
Privatbahnen voraussichtlich ebenfalls befolgen würden. 
In der Sitzung des Bundesrats vom 31. Mai 1873 versagte auch der 
Bundesrat dem Beschlusse des Reichstags, betreffend Abänderung des Artikels 32 
der Verfassung (Gewährung von Diäten und Reiseentschädigung), einstimmig die 
Zustimmung. Nur betreffend freie Eisenbahnfahrten sollten Unterhandlungen mit 
den verschiedenen Staats= und Privatbahnen eingeleitet werden. Es war dies 
gewissermaßen eine Abschlagszahlung in der Diätenfrage. Der württembergische 
Bevollmächtigte erklärte zu dieser Frage, daß die von ihm vertretene Regierung 
zwar der Ansicht zuneige, daß auf die Dauer der Artikel 32 der Verfassung 
nicht aufrecht zu erhalten sein werde, daß dieselbe indes zunächst noch die Er- 
fahrungen der nächsten Wahlen und der beabsichtigten Erleichterung der Reise 
für die entfernter wohnenden Abgeordneten abwarten wolle. 
Am 13. November 1873 ordnete der Bundesrat die Frage wegen der 
Freifahrt der Abgeordneten auf allen deutschen Eisenbahnen. Die oldenburgische 
Regierung erachtete zwar die Zahlung einer Entschädigung aus Reichsfonds für 
dieselbe mit dem Artikel 32 der Reichsverfassung in Widerspruch stehend. Die 
Mehrheit des Bundesrats erklärte sich indessen mit der vom Vorsitzenden, Staats- 
minister Delbrück vertretenen Ansicht einverstanden, daß die beabsichtigte Ein- 
richtung mit der Verfassung wohl vereinbar sei, da die von der Reichskasse an 
die Eisenbahnverwaltungen zu leistende Zahlung zu den einzelnen Reichstags- 
mitgliedern in keiner Beziehung stehe. 
Erfreulicherweise gab die oldenburgische Regierung ihr Bedenken auf und 
stimmte nachträglich gleichfjalls dem Verfahren zu. Sämtliche Bundesregierungen 
sagten für die unter ihrer Verwaltung stehenden Bahnen freie Fahrt für die 
Dauer der Sessionen in beliebiger Wagenklasse und nach allen Richtungen zu, 
und eine gleiche Bewilligung erfolgte auch von seiten der Privateisenbahnen gegen 
Zahlung einer Aversionalentschädigung. Als dieses im Bundesrat zur Mitteilung 
gelangte, bemerkte der Vorsitzende noch, daß, da diese Entschädigung noch nicht 
im Reichsetat für 1874 Platz gefunden, die Gewährung derselben nur unter 
Vorbehalt der Genehmigung des Reichstags erfolgen könne. 1) 
  
1) Bevor der Bundesrat sich über die Angelegenheit geeinigt hatte, kam dieselbe durch 
eine Interpellation des Abgeordneten Duncker und durch einen Antrag des Abgeordneten
	        
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