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die Stellung schlüssig, welche er zu dem Antrag des Abgeordneten Schulze
(Berlin) wegen Gewährung von Diäten und Reisekosten an die Mitglieder des
Reichstags einzunehmen gedachte. Die Majorität des Bundesrats sprach sich
gegen den Antrag aus, welcher Ansicht später der Präsident des Reichskanzler-
Amts in der Plenarsitzung des Reichstags Ausdruck gab.
Als der Reichstagsbeschluß demnächst an den Bundesrat gelangte, sprach
sich der Verfassungsausschuß für Ablehnung der Reichstagsdiäten aus, aber für
die Gewährung freier Fahrt auf den Staatseisenbahnen, welches Verfahren die
Privatbahnen voraussichtlich ebenfalls befolgen würden.
In der Sitzung des Bundesrats vom 31. Mai 1873 versagte auch der
Bundesrat dem Beschlusse des Reichstags, betreffend Abänderung des Artikels 32
der Verfassung (Gewährung von Diäten und Reiseentschädigung), einstimmig die
Zustimmung. Nur betreffend freie Eisenbahnfahrten sollten Unterhandlungen mit
den verschiedenen Staats= und Privatbahnen eingeleitet werden. Es war dies
gewissermaßen eine Abschlagszahlung in der Diätenfrage. Der württembergische
Bevollmächtigte erklärte zu dieser Frage, daß die von ihm vertretene Regierung
zwar der Ansicht zuneige, daß auf die Dauer der Artikel 32 der Verfassung
nicht aufrecht zu erhalten sein werde, daß dieselbe indes zunächst noch die Er-
fahrungen der nächsten Wahlen und der beabsichtigten Erleichterung der Reise
für die entfernter wohnenden Abgeordneten abwarten wolle.
Am 13. November 1873 ordnete der Bundesrat die Frage wegen der
Freifahrt der Abgeordneten auf allen deutschen Eisenbahnen. Die oldenburgische
Regierung erachtete zwar die Zahlung einer Entschädigung aus Reichsfonds für
dieselbe mit dem Artikel 32 der Reichsverfassung in Widerspruch stehend. Die
Mehrheit des Bundesrats erklärte sich indessen mit der vom Vorsitzenden, Staats-
minister Delbrück vertretenen Ansicht einverstanden, daß die beabsichtigte Ein-
richtung mit der Verfassung wohl vereinbar sei, da die von der Reichskasse an
die Eisenbahnverwaltungen zu leistende Zahlung zu den einzelnen Reichstags-
mitgliedern in keiner Beziehung stehe.
Erfreulicherweise gab die oldenburgische Regierung ihr Bedenken auf und
stimmte nachträglich gleichfjalls dem Verfahren zu. Sämtliche Bundesregierungen
sagten für die unter ihrer Verwaltung stehenden Bahnen freie Fahrt für die
Dauer der Sessionen in beliebiger Wagenklasse und nach allen Richtungen zu,
und eine gleiche Bewilligung erfolgte auch von seiten der Privateisenbahnen gegen
Zahlung einer Aversionalentschädigung. Als dieses im Bundesrat zur Mitteilung
gelangte, bemerkte der Vorsitzende noch, daß, da diese Entschädigung noch nicht
im Reichsetat für 1874 Platz gefunden, die Gewährung derselben nur unter
Vorbehalt der Genehmigung des Reichstags erfolgen könne. 1)
1) Bevor der Bundesrat sich über die Angelegenheit geeinigt hatte, kam dieselbe durch
eine Interpellation des Abgeordneten Duncker und durch einen Antrag des Abgeordneten