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Bei der allgemeinen Diskussion in der Bundesratssitzung vom 10. Mai
1873 erklärte der Großherzoglich hessische Bevollmächtigte: Der vorliegende Ent-
wurf enthalte verschiedene Bestimmungen, welche mit der zwischen dem Deutschen
Reich und dem Großherzogtum Hessen unterm 13. Juni 1871 abgeschlossenen
Militärkonvention im Widerspruche ständen. Die Großherzoglich hessische Re-
gierung glaube diesen Bestimmungen gegenüber an der fortdauernden Giltigkeit
der erwähnten Konvention festhalten zu müssen. Sie könne von diesem mit
Zustimmung der Stände abgeschlossenen Staatsvertrage nicht einseitig abgehen
und sei der Ansicht, daß, solange die Konvention zu Recht bestehe, nicht bloß
die zu Gunsten der Reichsgewalt, sondern auch die zu Gunsten des Groß-
herzogtums vereinbarten Bestimmungen desselben zur Anwendung zu bringen
seien. Er behalte sich vor, dieser Auffassung seiner Regierung bei den einzelnen
einschlagenden Bestimmungen des Entwurfs Ausdruck zu geben.
Die Reichsregierung hatte nach Einbringung des Entwurfs beim Reichs-
tag nicht verhehlt, welch großes Gewicht sie um der Entwicklung der nationalen
Institutionen willen auf die Vereinbarung dieses Gesetzes, des Schlußsteins
unserer erprobten Wehrverfassung, legte; der Reichstag kam aber nicht dazu,
auf diesem Gebiete zum festen Ausbau der nationalen Verfassung mitzuwirken.
Im Dezember 1873 wurde das Reichs-Militärgesetz nach erneuter Durch-
sicht dem Bundesrat zum zweitenmal unterbreitet, um in der im Februar bevor-
stehenden Reichstagssession unverweilt zur Beratung vorgelegt zu werden. Auf
die Krisis, welche dieses Gesetz demnächst heraufzubeschwören drohte, werden wir
in der folgenden Session des Bundesrats zu sprechen kommen.
Gesetz über die Kriegsleistungen. Unterm 25. Februar 18731)
legte der Reichskanzler dem Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes über die
Kriegsleistungen zur Beschlußnahme vor. Derselbe beabsichtigte, einmal in dieser
Materie für das ganze Bundesgebiet Rechtseinheit herzustellen, sodann die nach
den gemachten Erfahrungen sich empfehlenden Abänderungen und Ergänzungen
der betreffenden Bestimmungen herbeizuführen. Die Ausschüsse empfahlen dem
Bundesrat die Annahme des vorgelegten Gesetzentwurfs mit einigen von den-
selben beantragten meist redaktionellen Aenderungen.
Mit den dazu vom Reichstag gefaßten Beschlüssen erklärte sich der Bundes-
rat im allgemeinen einverstanden, doch bekämpften die militärischen Mitglieder
der Versammlung lebhaft die vom Reichstag beantragte Entschädigung für
Naturalquartiere auf Märschen und Kantonnements. Nach dieser Richtung hin
1) In Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähntes Datum. Näheres über die Entstehung
und Tendenz des Entwurfs „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 53 vom 4. März 1873.
Ueber den Inhalt der entsprechenden Bundesratsvorlage vgl. die „National-Zeitung“ Nr. 99
vom 28. Februar 1873.