Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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Reichstag vorgelegten Gesetzentwurf, betreffend die Errichtung und die Befugnisse 
des Rechnungshofes, war eine Einigung mit dem Reichstag nicht erzielt 
worden. Der Hauptgrund des Scheiterns lag darin, daß es an einem Gesetz 
über die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reichs 
noch fehlte, welches die Grundlage für die gesamte Thätigkeit des Rechnungs- 
hofes zu bilden geeignet wäre. Der Reichskanzler (J. V. Delbrück) unterbreitete 
infolge dessen am 27. April 1873 (Nr. 81 der Drucksachen) dem Bundesrat 
den Entwurf eines solchen Gesetzes, welcher 28 Paragraphen umfaßte, zur 
Beschlußnahme. 1) 
Am 15. Juni 1873 richtete der Reichskanzler (gez. v. Bismarck) das 
nachstehende Schreiben an den Bundesrat 2) (Nr. 122 der Drucksachen): 
„Der von dem Bundesrat am 15. Mai cr. (§ 278 der Protokolle) be- 
schlossene und dem Reichstag am 18. Mai cr. vorgelegte Entwurf eines Gesetzes 
über die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reichs wird voraus- 
sichtlich während der gegenwärtigen Session des Reichstags nicht mehr zur 
Erledigung gelangen. 
Da dieses Gesetz die Grundlage für die gesamte Thätigkeit des Reichs- 
Rechnungshofes zu bilden haben würde und nach den Erfahrungen der vorigen 
Reichstagssession nur bei dem Vorhandensein einer solchen Grundlage der 
definitiven Regelung der Einrichtung und Befugnisse des Rechnungshofes mit 
Aussicht auf Erfolg näher getreten werden kann, so wird in der gegenwärtigen 
Session von der Einbringung eines Gesetzentwurfs über die Einrichtung und 
Befugnisse des Rechnungshofes Abstand zu nehmen und der provisorische Zustand 
in Bezug auf die Kontrolle des Reichshaushalts noch bis zur nächsten Session 
des Reichstags aufrecht zu erhalten sein. 
Die erforderliche gesetzliche Grundlage für das gegenwärtige Provisorium 
ist jedoch durch das Gesetz vom 5. Juli v. J. (Reichs-Gesetzbl. S. 265) nur 
für das Jahr 1872 gegeben und wird es daher erforderlich, die in dem letzt- 
gedachten Gesetze getroffene Bestimmung für das Jahr 1873 zu wiederholen. 
Im Namen des Präsidiums beehrt sich der unterzeichnete Reichskanzler 
hiernach den beifolgenden Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Kontrolle des 
Reichshaushaltes für das Jahr 1873, dem Bundesrat zur verfassungsmäßigen 
Beschlußnahme ganz ergebenst vorzulegen." 
Hieraus entwickelte sich das Gesetz vom 22. Juni 1873 (Reichs-Gesetzbl. 
S. 145). 
1) Abgedruckt findet sich das betreffende, in Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnte 
Schreiben in der S. 304 (Note) erwähnten Quelle; vgl. über die betreffende Vorlage auch 
die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 105 vom 6. Mai 1873 und die „National- 
Zeitung“ Nr. 216 vom 10. Mai 1873 (Abdruck des Entwurfs). 
2) In Kohls Bismarck-Regesten gleichfalls nachzutragen.
	        
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