Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

— 411 — 
ziehen. Sie glaube diesem Zwecke am besten dadurch zu dienen, daß sie dem 
Beschlusse des Reichstags zustimme.) 
Mit Recht konnte Herr v. Bülow dieses Ergebnis 2) als das wichtigste 
und erfreulichste bezeichnen, welches in dem langwierigen Kampfe gegen die ge- 
samte liberale Partei bisher erreicht sei. Er knüpfte daran einige Bemerkungen, 
die wir deshalb hier folgen lassen, weil sie auf die nächsten Entschließungen des 
Großherzogs Friedrich Franz wahrscheinlich von entscheidendem Einfluß gewesen 
sind. „Es bedarf kaum der Erwähnung,"“ schrieb Bülow, „daß der Bundesrat 
sich mit diesem Beschlusse nicht unbedingt und nicht für immer zu unserer 
Schutzwehr gegen den Reichstag gemacht hat. Die einberichteten Erklärungen 
der einzelnen Bevollmächtigten und des Ausschusses sind offizielle Aeußerungen 
der Regierungen und lassen und bezwecken die Freiheit, sich je nach Umständen 
wieder zu degagiren und das letzte Wort vorzubehalten. Mit einem Wort, es 
ist nicht volle, sondern bedingte und zeitweilige Gewährleistung der bestehenden 
Verfassung; nicht Anerkennung des status quo, sondern nur Schutz für ruhige 
Verhandlung und Gestaltung der als unerläßlich und unvermeidlich allerseits 
anerkannten Reformen. Je rascher und vollständiger diese ins Leben geführt 
werden können, je leichter wird für dieselben dann statt dieses einstweiligen 
Schutzes die definitive Anerkennung des Bundesrats und der Ausspruch, daß 
die Sache erledigt sei, zu erreichen sein. Der heutige Beschluß, wonach die 
Reichsverfassung Grundrechte als Minimum von Verfassungsrechten nicht kennen 
will, ist für Erreichung dieses Ziels eine erfreuliche Vorbedeutung, aber, wie 
gesagt, keine Garantie. Die politische Einwirkung der Reichsgewalten, getragen 
von der Notwendigkeit der Einigkeit im wesentlichen, ist im Reiche stärker als 
Verfassungsparagraphen, und eben auf eine solche, je nach Zeit und Umständen, 
deuten alle jene Erklärungen.“ 3) 
1) Eine staatsrechtliche Erörterung zur mecklenburgischen Verfassungsfrage findet sich 
in der „National--Zeitung“ Nr. 239 vom 25. Mai 1873. 
2) Die „Mecklenburgischen Anzeigen“ bestätigen die Nachricht über das Schicksal des 
Büsingschen Antrags im Bundesrat in folgender Weise: „Zuverlässiger Mitteilung zufolge 
hat der Bundesrat zwar beschlossen, den sogenannten Büsingschen Antrag abzulehnen, aber 
weder das angebliche dringende Ersuchen (um Regelung der Verfassungsfrage) noch über- 
haupt ein Ersuchen irgendwelcher Art an die mecklenburgischen Regierungen gerichtet. 
Richtig ist, daß dem Wunsche nach einem baldigen Abschluß der jetzt schwebenden Ver- 
fassungsreform-Verhandlungen sowohl von seiten des Vertreters der Großherzoglichen Re- 
gierungen als von mehreren anderen Seiten Ausdruck gegeben ist. Der Anregung aber, 
ob mit der Ablehnung des Büsingschen Antrages irgend eine Kundgebung des Bundesrats 
im Sinne jenes Wunsches zu verbinden sei, ist, als der Sachlage nicht entsprechend, keine 
Folge gegeben worden.“ 
3) In der Bundesratssitzung vom 7. März 1873 wurde auf den Antrag des 
Justizausschusses die mecklenburgische Regierung ersucht, bezüglich der Beschwerde des 
Magistrats Strelitz wegen verweigerter Zulassung eines israelitischen Senators zum Schul- 
vorsteher Remedur eintreten zu lassen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.