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ziehen. Sie glaube diesem Zwecke am besten dadurch zu dienen, daß sie dem
Beschlusse des Reichstags zustimme.)
Mit Recht konnte Herr v. Bülow dieses Ergebnis 2) als das wichtigste
und erfreulichste bezeichnen, welches in dem langwierigen Kampfe gegen die ge-
samte liberale Partei bisher erreicht sei. Er knüpfte daran einige Bemerkungen,
die wir deshalb hier folgen lassen, weil sie auf die nächsten Entschließungen des
Großherzogs Friedrich Franz wahrscheinlich von entscheidendem Einfluß gewesen
sind. „Es bedarf kaum der Erwähnung,"“ schrieb Bülow, „daß der Bundesrat
sich mit diesem Beschlusse nicht unbedingt und nicht für immer zu unserer
Schutzwehr gegen den Reichstag gemacht hat. Die einberichteten Erklärungen
der einzelnen Bevollmächtigten und des Ausschusses sind offizielle Aeußerungen
der Regierungen und lassen und bezwecken die Freiheit, sich je nach Umständen
wieder zu degagiren und das letzte Wort vorzubehalten. Mit einem Wort, es
ist nicht volle, sondern bedingte und zeitweilige Gewährleistung der bestehenden
Verfassung; nicht Anerkennung des status quo, sondern nur Schutz für ruhige
Verhandlung und Gestaltung der als unerläßlich und unvermeidlich allerseits
anerkannten Reformen. Je rascher und vollständiger diese ins Leben geführt
werden können, je leichter wird für dieselben dann statt dieses einstweiligen
Schutzes die definitive Anerkennung des Bundesrats und der Ausspruch, daß
die Sache erledigt sei, zu erreichen sein. Der heutige Beschluß, wonach die
Reichsverfassung Grundrechte als Minimum von Verfassungsrechten nicht kennen
will, ist für Erreichung dieses Ziels eine erfreuliche Vorbedeutung, aber, wie
gesagt, keine Garantie. Die politische Einwirkung der Reichsgewalten, getragen
von der Notwendigkeit der Einigkeit im wesentlichen, ist im Reiche stärker als
Verfassungsparagraphen, und eben auf eine solche, je nach Zeit und Umständen,
deuten alle jene Erklärungen.“ 3)
1) Eine staatsrechtliche Erörterung zur mecklenburgischen Verfassungsfrage findet sich
in der „National--Zeitung“ Nr. 239 vom 25. Mai 1873.
2) Die „Mecklenburgischen Anzeigen“ bestätigen die Nachricht über das Schicksal des
Büsingschen Antrags im Bundesrat in folgender Weise: „Zuverlässiger Mitteilung zufolge
hat der Bundesrat zwar beschlossen, den sogenannten Büsingschen Antrag abzulehnen, aber
weder das angebliche dringende Ersuchen (um Regelung der Verfassungsfrage) noch über-
haupt ein Ersuchen irgendwelcher Art an die mecklenburgischen Regierungen gerichtet.
Richtig ist, daß dem Wunsche nach einem baldigen Abschluß der jetzt schwebenden Ver-
fassungsreform-Verhandlungen sowohl von seiten des Vertreters der Großherzoglichen Re-
gierungen als von mehreren anderen Seiten Ausdruck gegeben ist. Der Anregung aber,
ob mit der Ablehnung des Büsingschen Antrages irgend eine Kundgebung des Bundesrats
im Sinne jenes Wunsches zu verbinden sei, ist, als der Sachlage nicht entsprechend, keine
Folge gegeben worden.“
3) In der Bundesratssitzung vom 7. März 1873 wurde auf den Antrag des
Justizausschusses die mecklenburgische Regierung ersucht, bezüglich der Beschwerde des
Magistrats Strelitz wegen verweigerter Zulassung eines israelitischen Senators zum Schul-
vorsteher Remedur eintreten zu lassen.