— 39 —
ein. Bismarck war gerade abwesend; er verhandelte auf einem benachbarten
Schlosse mit Jules Favre wegen des Friedens. (Darnach war es der 19. oder
20. September 1870.) Erst gegen Abend traf er ein, empfing Linden freund-
lich und befahl vor allem eine Erfrischung.
Bezeichnend rief Bismarck dem Kammerdiener dabei zu: „Es darf aber
nicht nach der Satteltasche riechen.“ Einige „belegte Brote“, eine Flasche
Bordeaux und ein Glas wurden gereicht. Bismarck schenkte ein und reichte
das Glas seinem Gaste. Vergeblich blieb dessen Sträuben; er leerte es auf
das Wohl des Kanzlers, worauf Bismarck auf das des Königs von Württem-
berg trank und es alsdann an den Regierungsrat Holland abgab.
Nach dem Imlbisse sagte Bismarck zu Freiherrn v. Linden:
„Nun zu den Geschäften. Also Sie wollen Präfekt in Frankreich werden?
Es wundert mich bei Ihren Jahren.“
Linden: „Ich wollt' es nicht, aber man hat mich darum ersucht, und ich
bin bereit.“
Bismarck: „Welche Präfektur wünschen Sie?“
Linden: „Wenn thunlich, so nahe als möglich bei Paris!“
Bismarck: „Das ist nicht möglich, weil wir dort noch keine feste Stellung
haben.“
Linden: „Dann bitte ich um die Präfektur des Departements der Marne;
ich war auf der Reise in dem dortigen Regierungsgebäude; es hat mir ge-
fallen."
Bismarck: „Gut, die sollen Sie haben.“
Ein Zug an der Glocke befahl den Beamten, dem Bismarck zurief:
„Staatsminister Freiherr v. Linden aus Württemberg wird von Sr. Moaje-
stät dem König zum Präfekten des Departements der Marne ernannt. Fertigen
Sie es sogleich aus.“
Und zu Linden gewandt, bemerkte Bismarck:
„Ich habe die nötige Vollmacht. Seine Majestät wird es morgen be-
stätigen."
Konzept und Reinschrift waren bald hergestellt. Bismarck überreichte sie
mit den Worten: "
„Sie sehen, wir sind rasch in den Geschäften. Und nun lassen Sie uns
plaudern,“ worauf er sich in liebenswürdigster Laune erging, bis zu seiner Kind-
heit in Schönhausen, und erst spät abends fragte: „Wo wollen Sie über-
nachten?“
Auf die Aeußerung Lindens, er möchte darüber eine Andeutung erbitten,
entgegnete Bismarck bedauernd, ihm und seinem Begleiter kein Ouartier im
Schloß anbieten zu können, weil alles besetzt sei. Vielleicht müsse er selber
mit Jules Favre in einem Zimmer schlafen, und so wenig er sonst die Demo-
kraten liebe, so könne er es sich diesmal schon gefallen lassen; er wolle aber