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Der Zollbundesrat, die charakteristischste Etappe in der Geschichte der
deutschen Einigung, stellte an seine Mitglieder, welche, abgesehen von Preußen,
vorwiegend aus der Zahl der politischen Gesandten am Berliner Hofe hervor-
gegangen waren, nicht geringe Anforderungen. Türckheim hat dieselben glänzend
erfüllt. In kurzer Zeit hatte er sich mit dem Zollwesen in allen seinen tech-
nischen Komplikationen vertraut gemacht. Seine amtlichen Berichte waren voll-
giltige Zeugnisse gediegener Sachkenntnis; sie waren geradezu mustergiltig.
Nach Errichtung des Deutschen Reiches hat Türckheim den wichtigsten Aus-
schüssen angehört, im Justizausschuß vielfach als Referent fungirt und auch
hier die Beweise hervorragenden Wissens und staatsmännischer Auffassung der
Dinge geliefert. .
Seine Pflichttreue, sein rastloser Fleiß, sein bescheidenes und anspruchs-
loses Wesen sicherten ihm die Anerkennung und die freundschaftlichen Gesinnungen
seiner Kollegen im Bundesrat.
An den Debatten in den Ausschußsitzungen des Bundesrats beteiligte sich
Türckheim weniger, vielleicht weil er sich stärker in der Feder wußte als im
Worte.
Ueber die politische Wirksamkeit des Freiherrn v. Türckheim verbreitet sich
des näheren die auf Grund der Ministerialakten ausgearbeitete Broschüre Georg
Meyers: „Die Reichsbegründung und das Großherzogtum Baden“, Heidelberg
1896. Wir erfahren daraus zunächst den Auftrag v. Türckheims (15. Februar
1867), bei Preußen anzufragen, ob nicht ein offenes Allianzverhältnis zwischen
Preußen und Baden hergestellt werden könne (Erlaß Bismarcks an den preußischen
Gesandten in Karlsruhe, Grafen Flemming, vom 10. März 1867).1) Im
Winter 1866/67 hatte Türckheim über den Abschluß einer Militärkonvention
mit Preußen, etwa nach dem Muster der mit dem Großherzogtum Hessen zu
stande gekommenen, zu verhandeln, im Mai 1867 über einen Bund Bayerns,
Württembergs und Badens mit dem Norddeutschen Bunde. Im November 1867
erhielt Türckheim den Auftrag, Bismarck zu ersuchen, er möge in München und
Stuttgart dazu beitragen, daß das oben genannte Projekt im Keime erstickt
werde. Aus zahlreichen Aeußerungen, welche in Unterredungen Bismarcks mit
Türckheim gefallen sind, geht deutlich hervor, daß Bismarck den alleinigen
Eintritt Badens in den Norddeutschen Bund für inopportun erachtete und die
Politik des Abwartens für die richtigere hielt. Solange die übrigen süd-
deutschen Staaten demselben nicht beiträten, glaubte er, könne Baden gerade
wegen seiner ausgesprochenen nationalen Haltung der deutschen Sache viel
größere Dienste leisten, wenn es außerhalb des Bundes bliebe und dadurch die
Möglichkeit einer engeren Fühlung mit den anderen süddeutschen Staaten
behielte.
1) In Kohls Bismarck-Regesten nachzutragen.