82 Viertes Kapitel: Diplomat.
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stießen. Orden zu tragen ist für mich, außer in Petersburg und
Paris, niemals ein Bedürfniß gewesen; an beiden Orten muß man
auf der Straße irgend ein Band am Rock zeigen, wenn man
polizeilich und bürgerlich mit der wünschenswerthen Höflichkeit be-
handelt werden will. Sonst habe ich in jedem Falle nur die durch
die Gelegenheit gebotenen Decorationen angelegt; es ist mir immer
als eine Chinoiserie erschienen, wenn ich wahrnahm, wie krankhaft
der Sammlertrieb in Bezug auf Orden bei meinen Collegen und
Mitarbeitern in der Bürokratie entwickelt war, wie Geheime Räthe,
welche schon die ihnen aus der Brust quellende Ordenscascade nicht
mehr gut beherrschen konnten, den Abschluß irgend eines kleinen
Vertrages anbahnten, weil sie zur Vervollständigung ihrer Samm-
lung noch des Ordens des mitcontrahirenden Staates bedurften.
Diie Mitglieder der Kammern, welche 1849/50 die octroyirte
Verfassung zu revidiren hatten, entwickelten eine sehr anstrengende
Thätigkeit; es gab von 8 bis 10 Uhr Commissionssitzungen, von
10 bis 4 Plenarsitzungen, die zuweilen auch noch in später Abend-
stunde wiederholt wurden und mit den langdauernden Fractions=
sitzungen abwechselten. Ich konnte daher mein Bewegungsbedürf-
niß nur des Nachts befriedigen und erinnere mich, manche Nacht
zwischen dem Opernhause und dem Brandenburger Thore in der
Mitte der Linden auf= und abgewandelt zu sein. Durch einen Zufall
wurde ich damals auf den gesundheitlichen Nutzen des Tanzens auf-
merksam, das ich mit 27 Jahren aufgegeben hatte in dem Gefühle,
daß dieses Vergnügen nur „der Jugend“ anstehe. Auf einem der
Hofbälle bat mich eine mir befreundete Dame, ihren abhanden
gekommnen Tänzer für den Cotillon zu suchen und, da ich ihn nicht
fand, zu ersetzen. Nachdem ich die erste Schwindelbesorgniß auf dem
glatten Parket des Weißen Saales überwunden hatte, tanzte ich mit
Vergnügen und fand nachher einen so gesunden Schlaf, wie ich ihn
lange nicht genossen hatte. In Frankfurt tanzte alle Welt, voran
der 65jährige französische Gesandte Monsieur Marquis de Tallenay,
nach Proclamirung des Kaiserthums in Frankreich: Monsieur le