Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Cinführungsschreiben des Königs. Aufnahme in Wien. 85 
gehabt hat, und er hat diese Dinge und das Treiben daselbst mit 
scharfem und richtigem Blick betrachtet. Ich habe ihm befohlen, 
jede darauf gerichtete Frage Ew. Majestät und Ihrer Minister so 
zu beantworten, als hätte ich sie selbst an ihn gerichtet. Sollte es 
Ew. Majestät gefallen, von ihm Aufklärung über meine Auffassung 
und meine Behandlung der Zollvereins-Angelegenheit zu verlangen, 
so lebe ich der Gewißheit, daß mein Betragen in diesen Dingen, 
wenn auch vielleicht nicht das Glück Ihres Beifalls, doch sicher 
Ihrer Achtung erringen wird. Die Anwesenheit des theuren herr- 
lichen Kaisers Nicolaus ist mir eine wahre Herzstärkung gewesen. 
Die gewisse Bestätigung meiner alten und starken Hoffnung, daß 
Ew. Majestät und ich vollkommen einig in der Wahrheit sind: daß 
unsre dreifache, unerschütterliche, gläubige und thatkräftige Ein— 
tracht allein Europa und das unartige und doch so geliebte 
Teutsche Vaterland aus der jetzigen Krise retten könne, erfüllt mich 
mit Dank gegen Gott und steigert meine alte treue Liebe zu 
Ew Majestät. Bewahren auch Sie, mein theuerster Freund, mir 
Ihre Liebe aus den fabelhaften Tagen von Tegernsee, und stärken 
Sie Ihr Vertrauen und Ihre so wichtige und so mächtige, dem 
gemeinsamen Vaterlande so unentbehrliche Freundschaft zu mir! 
Dieser Freundschaft empfehle ich mich aus der Tiefe meines Herzens, 
allertheuerster Freund, als Ew. Kaiserlichen Majestät treu und innigst 
ergebenster Onkel, Bruder und Freund." 
Ich fand in Wien das „einsylbige“ Ministerium Buol, Bach, 
Bruck 2c., keine Preußenfreunde, aber liebenswürdig für mich, in 
dem Glauben an meine Empfänglichkeit für hohes Wohlwollen 
und meine Gegenleistung dafür auf geschästlichem Gebiete. Ich 
wurde äußerlich ehrenvoller, als ich erwarten konnte, ausgenommen; 
aber geschäftlich, d. h. bezüglich der Zollsachen, blieb meine Mis- 
sion erfolglos. Oestreich hatte schon damals die Zolleinigung mit 
uns im Auge, und ich hielt es weder damals noch später für 
rathsam, diesem Streben entgegenzukommen. Zu den nothwen- 
digen Unterlagen einer Zollgemeinschaft gehört ein gewisser Grad
	        
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