Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

90 Viertes Kapitel: Diplomat. 
ohne Direction, ohne Kenntniß der Localität des Schlosses, nur 
durch eine Aeußerung des Königs unterrichtet, daß die eine der 
drei Thüren in das Schlafzimmer der an den Masern krank liegenden 
Königin führte. Nachdem ich mir hatte sagen müssen, daß Niemand 
kommen werde, mich zu geleiten, trat ich durch die dritte Thür 
hinaus und fand mich einem Lakaien gegenüber, der mich nicht 
kannte und über mein Erscheinen in diesem Theile des Schlosses 
erschrocken und aufgeregt war, sich jedoch beruhigte, als ich dem 
Accente seiner mißtrauischen Frage entsprechend englisch antwortete 
und zu der königlichen Tafel geführt zu werden verlangte. 
Am Abende, ich weiß nicht, ob desselben oder des folgenden 
Tages, hatte ich wieder eine lange Audienz ohne Zeugen. Während 
derselben nahm ich mit Erstaunen wahr, wie nachlässig der blinde 
Herr bedient war. Die ganze Beleuchtung des großen Zimmers 
bestand in einem Doppelleuchter mit zwei Wachskerzen, an denen 
schwere, metallene Lichtschirme angeklemmt waren. Der eine fiel 
in Folge Niederbrennens der Kerze mit einem Geräusch, wie der 
Schlag auf ein Gong, zu Boden; es erschien aber Niemand, befand 
sich auch Niemand im Nebenzimmer, und ich mußte mir von dem 
hohen Herrn die Stelle der Klingel bezeichnen lassen, die ich zu 
ziehn hatte. Diese Verlassenheit des Königs war mir um so auf— 
fälliger, als der Tisch, an dem wir saßen, mit allen möglichen 
amtlichen oder privaten Papieren so bedeckt war, daß einzelne bei 
Bewegungen des Königs herunterfielen und von mir aufgehoben 
werden mußten. Nicht weniger auffällig war es, daß der blinde 
Herr mit einem fremden Diplomaten, wie ich, ohne jede ministerielle 
Kenntnißnahme Stunden lang verhandelte. 
Die Erwähnung meines damaligen Aufenthalts in Hanover 
erinnert mich an einen Vorgang, der mir nie klar geworden ist. 
Dem preußischen Commissarius, der in Hanover über die schweben- 
den Zollangelegenheiten zu verhandeln hatte, war von Berlin aus 
ein Consul Spiegelthal zur Aushülfe beigeordnet worden. Als ich 
desselben als eines preußischen Beamten im Gespräche mit dem mir
	        
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