Ein Brief an L. v. Gerlach. 117
Empfang jener Chamade schlagenden Instruction unter fortwähren—
den Anfällen gallichten Erbrechens gelitten, und ein mäßiges Fieber
verläßt mich keinen Augenblick. Ich finde nur in der Erinnerung
an den Frühling 1848 das Analogon meiner körperlichen und
geistigen Stimmung, und je mehr ich mir die Situation klar mache,
um so weniger entdecke ich etwas, woran mein Preußisches Ehr-
gefühl sich aufrichten könnte. Vor acht Tagen schien mir noch alles
nied= und nagelfest, und ich selbst bat Manteuffel, Oestreich die
Auswahl zwischen zwei für uns annehmbaren Vorschlägen zu
lassen, ließ mir aber nicht träumen, daß Graf Buol sie beide
verwerfen und uns auf seine eigne Vorlage auch die Antwort
vorschreiben werde, die wir zu geben haben. Ich hatte gehofft,
daß wir, wie auch schließlich unfre Antwort ausfallen möge, uns
doch nicht gefangen geben würden, bevor unfre Zuziehung zu den
Conferenzen gesichert wäre. Wie stellt sich aber unfre Lage jetzt
heraus? Viermal hat Oestreich in zwei Jahren das Spiel gegen
uns durchgeführt, daß es den ganzen Grund, auf dem wir standen,
von uns forderte und wir nach einigem Sperren die Hälfte oder
so etwas abtraten. Jetzt geht es aber um den letzten Quadrat-
fuß, auf dem noch eine Preußische Aufstellung möglich blieb.
Durch seine Erfolge übermüthig gemacht, fordert Oestreich nicht
nur, daß wir, die wir uns eine Großmacht nennen und auf dua-
listische Gleichberechtigung Anspruch machen, ihm diesen letzten Rest
von unabhängiger Stellung opfern, sondern schreibt uns auch den
Ausdruck vor, in dem wir unsfre Abdication unterzeichnen sollen,
gebietet uns eine unanständige nach Stunden bemessene Eile und
versagt uns jedes Aequivalent, welches ein Pflaster für unfre
Wunden abgeben könnte. Nicht einmal ein Amendement in der
Erklärung, die Preußen und Deutschland geben sollen, getrauen wir
uns entschieden aufzustellen. Pfordten macht die Sache mit Oest-
reich ab, indem er glaubt, Preußens Einverständniß voraussetzen
zu dürfen, und wenn Baiern gesprochen hat, so ist es für Preußen
res judicata. Bei ähnlichen Gelegenheiten der letzten beiden Jahre