Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

124 Sechstes Kapitel: Sanssouci und Coblenz. 
deten Höfen gehalten, jedes verstimmende Detail nach Hause zu 
melden; namentlich als ich in Petersburg mit einem Vertrauen 
beehrt wurde, welches ich fremden Diplomaten in Berlin zu ge- 
währen für bedenklich gehalten haben würde. Jede zur Erregung 
von Verstimmung zwischen uns und Rußland geeignete Meldung 
würde bei der damals und in der Regel antirussischen Politik der 
Königin zur Lockerung unsrer russischen Beziehungen ausgenutzt 
worden sein, sei es aus Abneigung gegen Rußland und aus vor- 
übergehenden Popularitätsrücksichten, sei es aus Wohlwollen für 
England und in der Voraussetzung, daß Wohlwollen für England 
und selbst für Frankreich einen höhern Grad von Civilisation und 
Bildung anzeige als Wohlwollen für Rußland. 
Nachdem der Prinz von Preußen im Jahre 1849 als Gouver- 
neur der Rheinprovinz seine Residenz dauernd nach Coblenz verlegt 
hatte, consolidirte sich allmählich die gegenseitige Stellung der beiden 
Höfe von Sanssouci und Coblenz zu einer occulten Gegnerschaft, 
in welcher auch auf der königlichen Seite das weibliche Element 
mitspielte, jedoch in geringerem Maße als auf der prinzlichen. Der 
Einfluß der Königin Elisabeth zu Gunsten Oestreichs, Baierns, 
Sachsens war ein unbefangner und unverhehlter, ein Ergebniß der 
Solidarität, welche die Uebereinstimmung der Anschauungen und 
die verwandschaftlichen Familiensympathien naturgemäß hervor- 
brachten. Zwischen der Königin und dem Minister von Manteuffel 
bestand keine persönliche Sympathie, wie schon die Verschiedenheit 
der Temperamente es mit sich brachte; gleichwohl ging die Ein- 
wirkung Beider auf den König nicht selten und namentlich in 
kritischen Momenten gleichmäßig in der Richtung des östreichischen 
Interesses, doch von Seiten der Königin in entscheidenden Augen- 
blicken nur bis zu gewissen Grenzen, welche die eheliche und fürst- 
liche Empfindung im Interesse der Krone des Gemals ihr zogen. 
Die Sorge für des Königs Ansehn trat namentlich in kritischen 
Momenten hervor, wenn auch weniger in der Gestalt einer Ermuthi- 
gung zum Handeln, als in der einer weiblichen Scheu vor den
	        
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