Erste Kammer oder Herrenhaus? Gegenströmungen. 145
in Verfassungsfragen zu ermuthigen. Um mich dazu unter Um—
ständen berechtigt und verpflichtet zu fühlen, hätte ich einer längern
Erfahrung in Staatsgeschäften bedurft, als ich damals besaß. Wenn
es sich 20 Jahre später um die Beibehaltung der Ersten Kammer
oder Verwandlung derselben in das Herrenhaus gehandelt hätte,
so würde ich aus der ersten Alternative eine Cabinetsfrage ge-
macht haben.
IV.
Die Haltung, welche ich in der conservativen Fraction an-
genommen hatte, griff störend in die Pläne ein, die der König
mit mir hatte oder zu haben behauptete. Als er zu Anfang des
Jahres 1854 das Ziel, mich zum Minister zu machen, directer in's
Auge zu fassen begann, wurde seine Absicht nicht nur von Man-
teuffel bekämpft, sondern auch von der Camarilla, deren Haupt-
personen der General Gerlach und Niebuhr waren. Diese, ebenso
wie Manteuffel, waren nicht geneigt, den Einfluß auf den König
mit mir zu theilen, und glaubten sich mit mir im täglichen Zu-
sammenleben nicht so gut wie in der Entfernung zu vertragen.
Gerlach wurde in dieser Voraussetzung bestärkt durch seinen Bruder,
den Präsidenten, der die Gewohnheit hatte, mich als einen Pilatus-
Charakter zu bezeichnen auf der Basis: Was ist Wahrheit? also
als einen unsichern Fractionsgenossen. Dieses Urtheil über mich
kam auch in den Kämpfen innerhalb der conservativen Fraction
und ihres intimern Comités mit Schärfe zum Ausdruck, als ich,
auf Grund meiner Stellung als Bundestagsgesandter und weil ich
im Besitz des Vortrags bei dem Könige über die deutschen An-
gelegenheiten sei, einen größern Einfluß auf die Haltung der Frac-
tion in der deutschen und der auswärtigen Politik verlangte, während
der Präsident Gerlach und Stahl die absolute Gesammtleitung nach
allen Seiten hin in Anspruch nahmen. Ich befand mich im Wider-
spruche mit Beiden, mehr aber mit Gerlach als mit Stahl, und
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. J. 10