Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

154 Achtes Kapitel: Besuch in Paris. 
Der Kaiser, den ich bei meiner damaligen Anwesenheit in 
Paris zum ersten Male sah, hat mir bei verschiedenen Besprechungen 
damals nur in allgemeinen Worten seinen Wunsch und seine Absicht 
im Sinne einer französisch-preußischen Intimität zu erkennen ge- 
geben. Er sprach davon, daß diese beiden benachbarten Staaten, 
die vermöge ihrer Bildung und ihrer Einrichtungen an der Spitze 
der Civilisation ständen, auf einander angewiesen seien. Eine 
Neigung, Beschwerden, die durch unsre Verweigerung des An- 
schlusses an die Westmächte hervorgerufen wären, mir gegenüber 
zum Ausdruck zu bringen, stand nicht im Vordergrunde. Ich hatte 
das Gefühl, daß der Druck, den England und Oestreich in 
Berlin und Frankfurt ausübten, um uns zu Kriegsdiensten im west- 
mächtlichen Lager zu nöthigen, sehr viel stärker, man könnte sagen, 
leidenschaftlicher und gröber war, als die in wohlwollender Form 
mir kund gegebenen Wünsche und Versprechungen, mit denen der 
Kaiser unfre Verständigung speciell mit Frankreich befürwortete. 
Er war für unfre Sünden gegen die westmächtliche Politik viel 
nachsichtiger, als England und Oestreich. Er sprach nie Deutsch 
mit mir, auch später nicht. 
Daß mein Besuch in Paris am heimathlichen Hofe mißfallen 
und die gegen mich bereits vorhandene Verstimmung besonders bei 
der Königin Elisabeth gesteigert hatte, konnte ich Ende September 
desselben Jahres wahrnehmen. Während der König die Rheinreise 
zum Dombaufest nach Köln machte, meldete ich mich in Coblenz 
und wurde mit meiner Frau von dem Könige zur Mitfahrt nach 
Köln auf dem Dampfschiff eingeladen, meine Frau aber von der 
Königin an Bord und in Remagen ignorirt 1). Der Prinz von 
Preußen, der das bemerkt hatte, gab meiner Frau den Arm und 
führte sie zu Tisch. Nach Aufhebung der Tafel bat ich um die 
Erlaubniß, nach Frankfurt zurückzukehren, die ich erhielt. 
Erst im folgenden Winter, während dessen der König sich mir 
1) Vgl. Bismarck's Brief an Gerlach vom 7. October 1855, S. 248 f.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.