Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

Briefwechsel mit Gerlach über Frankreich. 159 
unter den Großmächten ist. Bündnisse sind der Ausdruck gemein- 
samer Interessen und Absichten. Ob wir Absichten und bewußte 
Ziele unsrer Politik überhaupt jetzt haben, weiß ich nicht; aber daß 
wir Interessen haben, daran werden uns Andre schon erinnern. 
Wir aber haben die Wahrscheinlichkeit eines Bündnisses bisher nur 
mit denen, deren Interessen sich mit den unsrigen am mannig- 
fachsten kreuzen und ihnen widersprechen, nämlich mit den deutschen 
Staaten und Oestreich. Wollen wir damit unfre auswärtige Politik 
abgeschlossen betrachten, so müssen wir uns auch mit dem Gedanken 
vertraut machen, in Friedenszeiten unsern europäischen Einfluß auf 
ein Siebzehntel der Stimmen des engern Rathes im Bunde reducirt 
zu sehn und im Kriegsfalle mit der Bundesverfassung in der Hand 
allein im Taxis'schen Palais übrig zu bleiben. Ich frage Sie, ob 
es in Europa ein Cabinet gibt, welches mehr als das Wiener ein 
gebornes und natürliches Interesse daran hat, Preußen nicht stärker 
werden zu lassen, sondern seinen Einfluß in Deutschland zu min- 
dern; ob es ein Cabinet gibt, welches diesen Zweck eifriger und 
geschickter verfolgt, welches überhaupt kühler und chnischer nur 
seine eignen Interessen zur Richtschnur seiner Politik nimmt, und 
welches uns, den Russen und den Westmächten mehr und schlagen- 
dere Beweise von Perfidie und Unzuverlässigkeit für Bundesgenossen 
gegeben hat? Genirt sich denn Oestreich etwa mit dem Auslande 
jede seinem Vortheil entsprechende Verbindung einzugehn und sogar 
die Theilnehmer des Deutschen Bundes vermöge solcher Verbindungen 
offen zu bedrohen? Halten Sie den Kaiser Franz Joseph für eine 
aufopfernde, hingebende Natur überhaupt und insbesondre für außer- 
östreichische Interessen? Finden Sie zwischen seiner Buol-Bach'schen 
Regirungsweise und der Napoleonischen vom Standpunkte des 
„Prinzips“ einen Unterschied? Der Träger der letztern sagte mir 
in Paris, es sei für ihn „qui fais tous les efforts pour sortir 
de ce systeème de centralisation trop tendue qui en dernier lieu 
a pour pivot un gend'’arme-sécrétaire et que je consideère comme 
une des causes principales des malheurs de la France“ sehr
	        
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