160 Achtes Kapitel: Besuch in Paris.
merkwürdig zu sehn, wie Oestreich die stärksten Anstrengungen
mache, um hinein zu gerathen. Ich frage noch weiter und bitte
Sie, mich in Antwort nicht mit einer ausweichenden Wendung ab-
zufinden: gibt es nächst Oestreich Regirungen, die weniger den
Beruf fühlen, etwas für Preußen zu thun, als die deutschen
Mittelstaaten? Im Frieden haben sie das Bedürfniß, am Bunde
und im Zollverein Rollen zu spielen, ihre Souveränetät an unsern
Gränzen geltend zu machen, sich mit von der Heydt zu zanken, und
im Kriege wird ihr Verhalten durch Furcht oder Mißtrauen für
oder gegen uns bedingt, und das Mißtrauen wird ihnen kein Engel
ausreden können, so lange es noch Landkarten gibt, auf die sie
einen Blick werfen können. Und nun noch eine Frage: Glauben
Sie denn und glaubt Se. Majestät der König wirklich noch an
den Deutschen Bund und seine Armee für den Kriegsfall? ich meine
nicht für den Fall eines französischen Revolutionskrieges gegen
Deutschland im Bunde mit Rußland, sondern in einem Interessen-
kriege, bei dem Deutschland mit Preußen und Oestreich auf ihren
alleinigen Füßen zu stehn angewiesen wären. Glauben Sie daran,
so kann ich allerdings nicht weiter discutiren, denn unsre Prämissen
wären zu verschieden. Was könnte Sie aber berechtigen, daran
zu glauben, daß die Großherzöge von Baden und Darmstadt, der
König von Würtemberg oder Baiern den Leonidas für Preußen
und Oestreich machen sollten, wenn die Uebermacht nicht auf deren
Seite ist und niemand an Einheit und Vertrauen zwischen beiden,
Preußen und Oestreich nämlich, auch nur den mäßigsten Grund
hat zu glauben? Schwerlich wird der König Max in Fontainebleau
dem Napoleon sagen, daß er nur über seine Leiche die Gränze
Deutschlands oder Oestreichs passiren werde.
Ganz erstaunt bin ich, in Ihrem Briefe zu lesen, daß die
Oestreicher behaupten, sie hätten uns in Neuenburg mehr verschafft
als die Franzosen. So unverschämt im Lügen ist doch nur Oest-
reich; wenn sie gewollt hätten, so hätten sie es nicht gekonnt und
mit Frankreich und England wahrlich keine Händel um unsert-