Full text: Gedanken und Erinnerungen. Erster Band. (1)

164 Achtes Kapitel: Besuch in Paris. 
zu entschlagen; man bleibt gesünder dabei und verbraucht weniger 
Tinte. 
Sie werden wahrscheinlich sagen, daß ich aus dépit, weil 
Sie nicht meiner Meinung sind, schwarz sehe und raisonnire wie 
ein Rohrspatz; aber ich würde wahrlich ebensogern meine Be- 
mühungen an die Durchführung fremder Ideen wie eigner setzen, 
wenn ich nur überhaupt welche fände. So weiter zu vegetiren, 
dazu bedürfen wir eigentlich des ganzen Apparates unfrer Diplo- 
matie nicht. Die Tauben, die uns gebraten anfliegen, entgehn uns 
ohnehin nicht; oder doch, denn wir werden den Mund schwerlich 
dazu aufmachen, falls wir nicht grade gähnen. Mein Streben 
geht ja nur dahin, daß wir solche Dinge zulassen und nicht von 
uns weisen, welche geeignet sind, bei den Cabinetten in Friedens- 
zeit den Eindruck zu machen, daß wir uns mit Frankreich nicht 
schlecht stehn, daß man auf unfre Beistandsbedürftigkeit gegen 
Frankreich nicht zählen und uns deßhalb drücken darf, und daß 
uns, wenn man unwürdig mit uns umgehn will, alle Bündnisse 
offen stehn. Wenn ich nun melde, daß diese Vortheile gegen Höf- 
lichkeit und gegen den Schein der Reciprocität zu haben sind, so 
erwarte ich, daß man mir entweder nachweist, es seien keine Vor- 
theile, es entspreche vielmehr unsern Interessen besser, wenn fremde 
und deutsche Höfe berechtigt sind, von der Annahme auszugehn, 
daß wir gegen Westen unter allen Umständen feindlich gerüstet sein 
müssen und Bündnisse, eventuell Hülfe, dagegen bedürfen, und wenn 
sie diese Annahme als Basis ihrer gegen uns gerichteten politischen 
Operationen ausbeuten. Oder ich erwarte, daß man andre Pläne 
und Absichten hat, in deren Combination der Anschein eines guten 
Vernehmens mit Frankreich nicht paßt. Ich weiß nicht, ob die 
Regirung einen Plan hat (den ich nicht kenne), ich glaube es nicht; 
wenn man aber diplomatische Annäherungen einer großen Macht 
nur deßhalb von sich abhält und die politischen Beziehungen zweier 
großen Mächte nur danach regelt, ob man Antipathien oder Sym- 
pathien für Zustände und Personen hat, die man doch nicht ändern
	        
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