168 Achtes Kapitel: Besuch in Paris.
nach Ihrer eignen Ansicht sind die deutschen Mittelstaaten leider
im Wiener Congreß aus Halbheit und Eifersucht octroyirte und ge-
schützte Producte der Revolution und des ihr folgenden Bonapartismus,
der Materia peccans, in Deutschland. Hätte man principienmäßig
in Wien Belgien an Oesterreich und die fränkischen Fürstenthümer
an Preußen zurückgegeben: Deutschland wäre in einer andern Lage
als jetzt, besonders wenn man gleichzeitig die Mißgeburten Bayern,
Würtemberg, Darmstadt auf ihre natürliche Größe zurückgeführt
hätte; damals aber zog man Arrondirung u. s. w., lauter mechanische
Interessen dem Principe vor.
Sie haben sich aber gewiß bei meiner weitläufigen Deduction
schon gelangweilt, ich will daher der neuesten Zeit entgegengehen.
Finden Sie es denn eine glückliche Lage der Dinge, daß jetzt, wo
Preußen und Oesterreich sich feindlich entgegenstehen, Bonaparte bis
Dessau hin regiert und Nichts in Deutschland geschieht ohne bei ihm
anzufragen? Kann uns ein Bündniß mit Frankreich den Zustand
der Dinge ersetzen, welcher von 1815—1848 bestanden hat, wo
sich keine fremde Macht in die deutschen Angelegenheiten mischte?
Daß Oesterreich und die deutschen Mittelstaaten nichts für uns thun
werden, davon bin ich wie Sie überzeugt. Ich glaube nur außer-
dem noch, daß Frankreich, das heißt Bonaparte, auch nichts für uns
thun wird. Daß man unfreundlich und unhöflich gegen ihn ist,
billige ich so wenig als Sie; daß man Frankreich aus den politischen
Combinationen ausschließt, ist Wahnsinn. Daraus folgt aber noch
nicht, daß man Bonapartes Ursprung vergißt, ihn nach Berlin ein-
ladet und dadurch im In= und Auslande alle Begriffe verwirrt.
In der Neuschäteler Sache hat er sich insofern gut benommen, daß
er den Krieg verhindert und offen gesagt hat, daß er nicht mehr
thun würde. Ob es aber nicht besser um diese Angelegenheit stände,
wenn wir uns nicht von einer „Gefühlspolitikt hätten leiten lassen,
sondern die Sache an die europäischen Mächte, die das Londoner
Protokoll unterzeichnet, gebracht hätten, ohne uns vorher unter die
Flügel Bonapartes geduckt zu haben, das ist doch noch sehr fraglich,